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Webinar Autisten Peer-Beratung

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29.06.17, 17:57:42

Antares

Grüß euch von der ESH,

ich habe mich nun viel im Internet durchgewühlt, auf der Suche nach einem Barrierefreien online-Kurs, um mich da ein wenig tiefer in die Peer-Beratung einarbeiten zu können. Gerade was die rechtlichen Bereiche angeht, die 55555 hier ab und an postet, da bin ich überhaupt nicht wirklich fit.

Ich stellte nun allerdings fest, dass es das eigentlich nicht wirklich gibt, oder doch? Gibt es ein Webinar oder Ähnliches, das Übersichtlich die grundlegenden Peer-Infos aus dem Bereich für Autisten und Barrieren vermittelt? Ich kann mich grob erinnern irgendwo bei euch so etwas in der Art gelesen zu haben, oder war das nur eine Art Grundkurs für euch intern?

Ich hätte gut Lust so etwas mit aufzubauen, wo sich Autisten dann selbst einarbeiten können in das Thema, wenn sie wollen.

Zudem hab ich gesehen, dass sie tatsächlich so etwas wie Prüfungen abverlangen in der Peer-Beratung. Zum einen kann ich das verstehen irgendwo, ich merke ja selbst wie viel Mühe das ist alles autodidaktisch in jahrelanger Arbeit anzueignen. Zum anderen denke ich mir: ich bin mein Leben lang an jeder Institution gescheitert, die es mir nicht möglich machte die Barrieren regulieren können. Außer die Web-Studiengänge, die liefen super, auch die Tests, nur wirklich etwas beweisen an Können in dem Bereich tut halt so ein Zettel auch nichts.

es grüßt

Antares
30.06.17, 10:34:23

55555

Ich wüßte nicht, daß es soetwas gäbe. Der Auties e.V. betreibt (betrieb?) einen Grundkurs für Mitglieder, der aber einen deutlich anderen Zweck verfolgen dürfte.

Die Vermittlung von Erfahrung in der Selbsthilfe ist ein wichtiges Thema, bei uns klappt das bisher auch nicht richtig (vor allem soweit ich sehe auch, weil Neueinsteiger wenig bereit sind ersteinmal Austausch zu pflegen, bevor man selbst groß mit irgendwas loslegt, das dann meist unausgegoren oder gar schädlich sein kann.

Trotzdem wäre meine erste Frage erstmal: Welches Ziel würde mit so einem Kurs verfolgt? Ich sehe ja Kurse der Art, daß dann ein Abschluß gemacht wird und der offiziell anerkannt würde kritisch. Sie können auch sehr hemmend sein und langfristig auch schädlich wirken, wenn die Veranstalter dann ihren Einfluß mißbrauchen um persönliche Weltanschauungen durchzudrücken. Dem Problem stehen wir ja aktuell noch von der anderen Seite gegenüber.
30.06.17, 17:39:09

Antares

Mir fehlt "etwas" ... ich weiß nicht genau wie ich das beschreiben soll, was das Ziel ist. Dereinst, als ich die ESH fand, war ich ja schon aus einer Gruppe in Bayern, die dort aber ohne Namen "einfach so" auch schon vor meiner Zeit "Enthinderung" betrieb. Als ich mich mit den Autisten dort austauschte letzthin stellten wir fest, dass nichts mehr "wie damals ist".

- wir nannten uns nicht wirklich Autisten
- eine Diagnose haben wir heute erst 30 +, 50 +, gibts ja erst seit 2000 so richtig
- dieses "man verdamme Dich dazu niemals mehr anders sein zu dürfen" gab es nicht
- ein gesunder Teil menschlicher Vielfalt war was angestrebt wurde

Für mich war das nach dem Studium (Präsenz und Abi Präsenz) sehr wichtig, denn dort lernte ich von erwachsenen Autisten eben 50 + heute manch einer schon verstorben, wegen Alters, wie man sich gut lebt. Barriereregulierbarkeit war selbstverständlich, Verschobenheit schon fast pflicht, es war ganz anders vom Lebensgefühl her.

Als ich hier in Berlin ankam, merkte ich sehr wohl, dass überhaupt nichts so ist, wie bei mir daheim war. Mir war auch nicht bewusst, dass das jetzt mit einer Diagnose so wichtig ist, UN-BRK, keinen Plan davon, ein bayrisches Landei mit einer Idyllvorstellung eines autonomen Lebens als freier Autist, stolz darauf so zu sein, wie man ist.

Grundsätzlich komme ich aus der absoluten Pride-Szene wie man das heute nennen würde - nur damals waren wir einfach so.

All das was ich lernte mit den Jahren hier in Berlin lehrte mich, dass es damals nicht (mehr) gibt, nirgends. Auch in Bayern sterben sie aus, wenn ich erzähle, sie kommen gar nicht mehr mit, was sich da tut. Alle schütteln nur den Kopf... sie sagen das ist was für euch Jungen. Ich war damals noch nicht einmal einmal 20 als ich dort in die "Szene" kam die keine war, sondern eher ein geselliges Beisammensein im echten Leben, ohne Benamsung, Pathologie oder Stigma.

Heute werde ich immer älter, jetzt irgendwann werde ich 40, es ist eine Generation weiter und ich denke darüber nach, was ich den jetzt Jungen die kommen vermachen möchte. Ich merke wie jene die sich mit 40 auf die Suche nach sich selbst machen und jene die mit 20 mir wie Küken aus meiner eigenen Vergangenheit erscheinen ein wenig ratlos sind. Aber mit enorm viel Eifer ausgestattet.

Diesen Eifer würde ich gern lenken (helfen). Ein Kurs einer Art Abschluss... vielleicht macht das Sinn, ein Gütesigel durch die ESH und den White Unicorn e.V. als Kinder- und Jugendbereichsführende Interessenverbände. Aber wir sind auch nicht vor Fehlern gefeit. Andererseits brauchen die Jungautisten und megamotivierten Altautisten in der Selbstfindungsphase mit dem unbändigen Drank "etwas" zu tun irgendwas in die Hand.

Vermittlung von Erfahrung aus der Selbsthilfe, Rechtliches was im Heute Wichtig ist... Skills, sie brauchen dringend Skills. Ich werde nicht jeden einzeln beraten können auf Dauer und mit uns die wir noch mit beiden Füßen im Gestern wie Morgen stehen könnten das denke ich in der Gegenwart gut manifestieren.

Ob man das real als offiziell anerkannten Abschluss der Peer-Beratung macht, muss sehr gut überlegt werden. Es ist jetzt möglich, irgendwann haben das andere Anbieter gemacht. Noch wären wir die ersten auf "dem Markt".

Ich weiß auf jeden Fall, dass ich allein das niemals könnte, es bräuchte mehr Autisten, die wie aus der ESH und bei uns (München/White Unicorn) Wissen zusammen tragen. Der gesamte Rechtliche Teil, das was Up Today ist... das kann ich alles ja selbst nicht und das würde auch mir nicht schaden zu können. Man müsste zusammentragen was an Wissen bewahrt werden soll und weiter gegeben werden muss.

Das Ziel hat viel mit einem Gefühl von Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen zu tun, die nun heran wachsen und das Gestern z.B. nie mehr erfahren werden, denn die Zeit in der man einfach so anders war, gern Autist und sich gut als solcher lebte, offen und frei sind aus meiner Beobachtung heraus vorbei, in Bayern wie Berlin, in NRW wie SH... egal woher die Eltern kommen, die nun auf der Suche nach Rat sind: sie wissen Autismus ist eine Krankheit, ABA eine Therapie...

Ich wusste noch, ich bin anders und das ist gut so - eben weil es Altautisten schon damals gab, welche uns Heranwachsende begleitet haben.
01.07.17, 10:31:56

55555

Ja. Gedanken: Ein Abschluß erhält man nach üblichen Sitten heute einmal und darf sich dann so bezeichnen. Derjenige könnte dann irgendwann auch den größten Unsinn vertreten oder auch nur mit den Jahren den Anschluß verlieren. Das Problem hätte man nicht, wenn es eine Art Amt wäre, das die Leute auch verlieren könnten.

Es ist bestimmt so, daß man wenn man Titelfetischismus anspricht in Einzelfällen mehr erreichen kann, ich habe aber noch Zweifel, daß man das kontrollieren könnte im Fall der Variante Kursabschluß für immer.
01.07.17, 14:02:43

Antares

Meinst Du ein Amt innerhalb eines Interessenverbandes z.B.? Das wäre möglich, man könnte es auch kombinieren, um dieses Amt inne haben zu wollen müsste diesen Kurs vorher belegen, der nicht dem Amt entspricht, aber Voraussetzung wäre.

Bei uns im Verein gibt es zwei "Ämter", den Vorstandsvorsitz und den vertretenden Vorsitz, die beide Peer-Berater sind, also in diesem aktuellen Fall bin ich das und meine Stellvertretung. Ich bin an die Autisten des Vereines gebunden, sowie an die Satzung.

Langfristig gesehen denke ich, dass das Modell welches wir derzeit haben mit Nicht-Autisten im Vorstand zu 1/3 auch nicht funktioniert, sondern wie es die LIGA der Selbstvertretung in Berlin (http://liga-selbstvertretung.de/) vorgibt 100% Autisten.

Wäre man z.B. an die Vorgabe der LIGA gebunden und an Neurodiversität durch unsere Satzung im Vorstand, als Peer-Berater, wären die Auflagen streng und ein Kurs zum Ablegen eher eine Formsache.

Würdest Du so etwas meinen, oder stellst Du Dir noch etwas anders vor?
01.07.17, 14:23:24

Antares

So etwas hier ist mir auch (noch) rätselhaft, was das sein soll und ob das was Brauchbares ist:

http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Gesetzesvorhaben/BTHG/EUTB/EUTB_node.html

Hast Du von so etwas eine Ahnung? Das wäre so eine Art Amt, wo ich einen Kurs der einem die Grundlagen vermittelt, die man real benötigt dringend dazu geschalten sehen wollen würde... da kann sich ja jeder der Autist ist einfach so einschreiben, oder?
01.07.17, 14:27:55

Antares

Ich probier das jetzt einfach einmal aus und stelle den Antrag, dann sehe ich, was passiert, wenn man sich da durch klickt - es wäre aber zu einfach, wenn ich "nur" sagen muss, ich bin in einem Verein - Autist und vertrete jetzt entgeltlich Autisten.

Davon überzeugt, dass jeder grundsätzlich für Peer-Beratung geeignet ist, nur weil er eine Diagnose hat und in einem Verein ist, bin ich nicht. Ich finde dieses Feld (bisher) schwierig für mich zu beurteilen und habe somit (noch) keine endgültige Position.

Ich weiß aber, dass es wichtig wäre das Wissen zusammen zu tragen und weiter zu geben.
01.07.17, 18:14:19

feder

Zitat:
Ein Abschluß erhält man nach üblichen Sitten heute einmal und darf sich dann so bezeichnen. Derjenige könnte dann irgendwann auch den größten Unsinn vertreten oder auch nur mit den Jahren den Anschluß verlieren. Das Problem hätte man nicht, wenn es eine Art Amt wäre, das die Leute auch verlieren könnten.
Schweizer Pilzkontrolleure müssen mindestens alle 5 Jahre einen Eignungstest absolvieren, um sich weiterhin als Pilzkontrolleur betätigen zu dürfen. Auch müssen regelmässig Weiterbildungskurse absolviert werden. http://www.vapko.ch/phocadownload/public/DE/Ausbildung/Pruefungsreglement_fuer_Pilzkontrolleure_VAPKO_vom_05-03-2011.pdf

Ich kenne Dolmetscher/Übersetzer, die in denjenigen Sprachen, in denen sie nicht muttersprachig sind, alle paar Jahre eine Diplomprüfung wiederholen, um jeweils aktuelle Kenntnisse nachweisen zu können.

Sowas wäre grundsätzlich auch in einer – wie auch immer gearteten – Autistenberatungsqualifizierung denkbar.
01.07.17, 18:39:09

Antares

Gut... also die Hürden für einen Träger eine Fernunterrichtszulassung zu bekommen, sind nicht ohne. Aber nach unserer Satzung sind wir ein Bildungsträger und wären somit berechtigt das Zertifikat als Fernunterrichtsstelle für z.B.

- Lehrer (Kostenpflichtig über Regionale Fortbildung)
- Peer-Berater (da gegen Aufwandskosten, wie Material etc.)

Gewinne dürfen wir keine machen und von Eltern dürfen wir kein Geld verlangen, auch nicht in der Weiterbildung. Ausschließlich staatliche Finanzierung bzw Aufwandskostendeckung wie in diesen beiden Fällen wären uns erlaubt.

Auf diese Weise könnten wir einen Kurs anbieten, der z.B. alle 5 Jahre aufgefrischt werden muss. Es ist aber zu bedenken, dass das als Träger massivst Arbeit wäre, das hoch zu ziehen.

Sollten wir ein Zertifiziertes Bildungssystem für autistische Peer-Berater über Fernunterricht etablieren wollen, wäre das schon beachtlich, was man dafür tun müsste.

http://www.zfu.de/veranstaltende.html

Weil es auch Verantwortliche für die Lehrbereiche bräuchte, welche die Daten ständig aktuell halten, damit dies gebucht werden kann und alle 5 Jahre aktuell ist.

Als Voraussetzung wäre dann z.B. ein "Amt" festzulegen, was auch immer genau 55555 sich darunter vorgestellt hat.

ISL hat so etwas gemacht (allerdings für Körperbehinderte glaub ich wie mir das aussieht, Fernunterricht, also Barrierefrei für Autisten haben sie das nicht, so weit ich sehe) und durchlaufen:

http://www.isl-ev.de/index.php?option=com_content&view=category&id=116&Itemid=432
http://www.isl-ev.de/attachments/article/1101/120920_Curriculum_12_Peer_Counseling_Weiterbildung.pdf

Sowas wäre das dann in der Art. Grundlehrgang für ein Zertifikat im Umgang mit Autisten als Fachkräfte und Grundlehrgang für Autisten die besagtes "Amt" ausführen wollen, in der Peer-Beratung.

Die Kosten für die Zulassung sind auch nicht zu verachten, es wären insgesamt einige tausend Euro ein zertifiziertes Verfahren zu entwickeln. Aber es wäre möglich, samt Amtsbindung und Wiederholung auf Aktualität.

04.07.17, 13:17:42

Antares

Hmm, also was ich heraus finden konnte ist das von EUTB nicht so, wie ich das meinte. Dort kann man als Träger:

- Geld bekommen für einen Peer-Berater, der allerdings jeder X-Beliebige sein kann, der eine Ausbildung in Peer-Beratung hat (Fachkraft würde also reichen)

- Geld für die notwendige Vor-Ort-Peer-Beratungsstelle würde gegeben

- die Peer-Ausbildung wäre zumindest bisher nicht als Online-Kurs geplant, somit für Autisten per se Barrierelastig

Dieses ganze Festgeschriebene was derzeit an Peer-Beratern ausgebildet wird ist irgendwie überhaupt nicht das was wir zur Zeit machen. Kinder- und Jugendhilfe ist z.B. gar nicht vorgesehen, eher eine Beratung für alle möglichen Barrieren sämtlicher Arten und Altersbereiche für einen einzigen Mitarbeiter, einmal ausgebildet, fertig ist das Ganze.

Das kann doch so niemals zu einem Universellen Design werden, der Weg funktioniert so nicht. Man muss um dann Peer Berater werden zu können:

- Genügend Vorschusskapital haben um Räume nachweisen zu können innerhalb eines Monats nach Bewilligung

- Genügend Personal verfügbar haben, so dass sofort nach Bewilligung (1 Monat später etwa) derjenige zu arbeiten beginnt

- Genügend Geld haben um die Ausbildung zu finanzieren, die dann aber wieder barrierelastig sein wird

Das ist eher eine vom Staat vorgegebene Maßnahmenregulation, die mit dem Jobcenter zusammen arbeitet, denn von dort bieten sie einem dann gleich auch an Mitarbeiter zu bekommen, welche diese Aufgabe des Peer-Beraters übernehmen können.

05.07.17, 10:38:19

55555

Tja, aber wir müßten uns ja nicht an diesen Strukturen orientieren.
05.07.17, 12:35:09

Antares

Nein, müssen wir nicht, das von EUTB ist vollständig unbrauchbar für uns.

Ist halt die Frage was man überhaupt möchte. Ich guck grad, was man bei Aktion Mensch bekäme an Gelder, würde man einen Ferunterrichtsantrag über die ZFU mit dann z.B. Webinar-Begleitung anbieten.

Es dürfte insgesamt schwierig sein das Geld zusammen zu bekommen, für irgendwas mit Zulassung, wo man dann festlegen kann:

- das muss Amtsgebunden ausgeführt werden
- und immer wieder aufgefrischt (z.B. alle 5 Jahre)

So dass man nicht gänzlich auf allen Kosten hängen bleibt, die dabei entstehen. Ohne eine Art Online-Seminar (wie über die ZFU ja zertifizierbar) sehe ich nur nicht so richtig, wie man überhaupt einen Kurs zustande bringen sollte.

Selbst ohne Zertifikat, wäre es ja trotzdem der selbe Aufwand und der ist beträchtlich.
 
 
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