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Autor Nachricht
Samantha
(Angehörigenbereich)

Zitat von drvaust:
Zitat von Samantha:
@ drvaust
wenn ich das alles richtig verstehe, gibt es bei "euch" mehr schwarz und weiß und weniger grau. kaum oder keine fließenden grenzen.
etwas ist gut oder böse, richtig oder falsch, schön oder eklig.
und da es diese zwischentöne nicht oder nur minimal gibt, kann es von einer sekunde auf die andere umschlagen ins gegenteil.
überrascht Nein !
Wie kommst Du darauf? Da hast Du mich missverstanden. Wegen "Außerdem mache ich etwas, daß ich mache, richtig."? Ein schnelles Umschlagen ins Gegenteil gibt es eigentlich nicht, bis auf heftige Enttäuschungen o.ä..
Das meiste ist egal, uninteressant, unbedeutend, weder schwarz noch weiß. Aber wenn etwas 'schwarz' ist, dann hat das gute Gründe, das kann nicht kurz darauf 'weiß' sein, und umgekehrt. Wenn ich jemand gut finde, dann habe ich Gründe dafür, das passiert nicht leichtfertig. Wenn ich jemand gut finde, dann stehe ich auch dazu, dann lasse ich mir nicht einreden, daß das plötzlich anders sein soll.
Ich bin gründlich, wenn ich etwas beginne, dann will ich das auch vollenden, dann kann ich das nicht 'mal liegenlassen' oder mit halber Kraft machen.
Oder kommst Du darauf, weil ich, wenn ich mal zu einer tätlichen Auseinandersetzung komme (was selten passiert), auch gründlich zuschlage. Während andere hundert Prügeleien haben, habe ich nur eine tätliche Auseinandersetzung, aber dann richtig, dann hat das schwerwiegende Gründe, dann fließt Blut.
Ich gelte als sehr neutral und zurückhaltend, sehr ruhig (eher 'grau'), nur in extremen Situationen werde ich mal heftig.
Ich kann nicht mal mit jemand freundlich tun und mal dem eine herunterhauen, ich bin meistens freundlich distanziert.


darüber muß ich erst nochmal nachdenken, wie das gemeint ist. also wie ich das in meine denkweise übersetzen kann.
17.12.07, 18:38:52
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Samantha
(Angehörigenbereich)

@drvaust
ich habe wohl den fehler begangen, zusammenzufassen, zu interpretieren, mehrere antworten so miteinander zu verknüpfen, dass sie (für mich-in meiner gewohnten denkweise) einen sinn ergeben.

diese meinung kam nicht zustande, indem ich ein bestimmtes zitat zu grunde legte, sondern indem ich die grundstimmung all dessen interpretierte, was du im laufe der zeit schriebst.

gewohnheiten abzulegen ist nicht leicht. und ich werde es sicher noch ab und zu tun, auch wenn ich weiß, dass es grundverkehrt ist.

vielleicht ist es eher so richtig:

da es für euch weniger "gedachte grauzonen" gibt, die bei uns durch interpretation von hintergründigem sinngehalt, mimik, gestik entstehen nd von denen natürlich auch wir wissen, dass die wahrscheinlichkeit, dass diese interpretation jeweils zutrifft nur einen prozentsatz ausmacht, schwanken wir mehr.

ich versuche es mal so zu erklären.

du sagst: ich komme morgen nicht, weil ich einen wichtigen termin habe.
dann kommst du nicht, wiel du einen wichtigen termin hast, klare eindeutige aussage.

wenn ein NT dasselbe behauptet, kann er etwas ganz anderes meinen. vielleicht kommt er nicht, weil seine freunde mich nicht mögen, irgendwer igendwas erzählt hat, dass ich ihn schlecht gemacht hätte, er mich einfach uninteressant findet...oder einfach, weil er eben einen wichtigen termin hat.

je nachdem, was ich für wahrscheinlicher halte, ändert sich meine meinung zu dem menschen.
wenn morgen eine aussage von ihm dazukommt, die einer möglichkeit ein größeres gewicht erteilt (ich höre, er hatte ein vorstellungsgespräch und hat den job bekommmen) dann kann sich meine ansicht ihm gegenüber wieder ändern, wenn ich gestern eher dachte, es steckt ein anderer grund hinter der aussage.

vielleicht ist es dies, was ihr als unverständlichen sinneswandel seht.
vielleicht steht ihr deshalb fester zu euren aussagen-festlegungen, weil es für euch keine wandelnden interpretationen gibt.
17.12.07, 22:30:53
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Aldaris~Adun
(Autistenbereich)

Da hast du recht, wir neigen dazu, wort- wörtlich zu meinen und ebenso interpretieren wir auch.

Genau dieses "etwas sagen und eigentlich etwas ganz anderes meinen", oder auch Hintergründe verschleiern (und sei es aus edelsten Motiven- um den anderen nicht zu verletzen), kann ich absolut nicht ausstehen.

Für mich ist es unehrlich, unpräzise, es führt zu groben Missverständnissen, macht die Kommunikation enorm kompliziert- unnötig.

Allerdings weiss ich natürlich, das geschätzte 98 % der Menschheit das anders sehen, so muss ich damit leben, und immer wieder aufs neue versuchen meinem Gegenüber klarzumachen, das ich WIRKLICH genau das meine was ich sage... Ohne versteckte Bedeutungen, ohne schonen, schonende Höflichkeit. Ich wünschte mir sehr, jeder würde auch mich so behandeln, doch weiss ich... Das ist eben nicht möglich, wrong planet ;).
17.12.07, 22:37:17
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Samantha
(Angehörigenbereich)

ich bin auch so (geworden). ich mag die sogenannte "diplomatie" der schleimbeutelsch***er nicht.
das ganze hä..hä..grinz..grinz aber wehe einer verläßt den raum auch nur zum pinkeln...

ich bin selbst sehr direkt, weil ich es nicht anders will.

trotzdem bin ich natürlich auch gewohnt, das der großteil der anderen die vorgeschobene liebenswürdigkeit als komunikationsgrundlage nutzt. und die gewohnheit, dies zu berücksichtigen sitzt tief.
irgendwann macht man es fast unbewußt, eben auch dort, wo es gar nicht angebracht ist.
17.12.07, 22:53:01
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Shiva
(Standard)

Zitat von Samantha:
Zitat von Shiva:
auch nicht, dass seine Fragen unwichtig für mich sind und ich deswegen nicht darauf antworten mochte. Auch dass ich nur dann redete, wenn mir danach war, war schwierig für ihn.


für mich klingt dieses verhalten rätselhaft, in gewissem sinn lieblos, verbohrt, egoistisch. das ist kein vorwurf.
wenn mein partner etwas wissen möchte, dann ist es für mich schon deshalb wichtig, weil es für ihn wichtig ist.

Zitat von Shiva:
Wenn er mich umarmt und ich mich versteife, dann weiß er, es hat gerade keinen Zweck.


auch da bei mir totales unverständnis. wenn ich jemanden gern habe, dann gibt es keine zeiten, in denen mich seine berührungen versteifen lassen würden, als wären sie mir zuwider. ich würde dein verhalten als launenhaft, berechnend, kalt empfinden und wäre dementsprechend gekränkt.


Nehmen wir mal ein Beispiel: Ich komme abends von der Arbeit, hatte den ganzen Tag Input, musste mich dort gewissermaßen anpassen (ich könnte natürlich auch den ganzen Tag schweigsam verbringen und damit ein willkommenes Mobbingopfer darstellen), die ganze Zeit Menschen um mich herum, da brauche ich mindestens eine Stunde daheim "Atempause", die ich jedoch in der Regel nicht habe, da ich noch Kinder habe, und die mir genauso viel Input verschaffen und für die ich ja auch da sein muss. Nun kommt mein Freund und möchte mich umarmen, das kann ich in so einer Situation nicht ertragen. Ich kann nicht einmal beschreiben, was da genau mit mir geschieht, ich weiß nur, ich brauche Abstand. Da kann es dann vorkommen, dass ich mich versteife. Ich brauche ja in so einer Situation keine Nähe, im Gegenteil. Dann mag er Dinge wissen wie: "Wie war es auf der Arbeit?" Ja, was soll ich da antworten? Weder weiß ich, was ich dazu sagen soll, noch sehe ich den Sinn dieser Frage. Es wäre mir lieber, ich hätte meine eigene Wahl, was ich erzähle. Wenn es etwas erzählenswertes gibt, dann erzähle ich das schon, wenn ich "soweit" bin. WARUM es so ist, kann ich dir leider nicht beantworten.

Ich möchte ihn doch nicht kränken, nein, auf keinen Fall. Seine und meine Bedürfnisse sind nur verschieden. Ich brauche eigentlich eine ganze Menge Zeit für mich alleine, die bekomme ich natürlich nicht so, wie ich es gerne hätte, das heißt, ich für meinen Teil mache schon viele Kompromisse. Sie mögen in den Augen anderer vielleicht nicht viel wert sein, ich für meinen Teil empfinde das aber auf Dauer als anstrengend. Wenn ich dann nicht meine Zeit für mich bekomme, ist es, als braue sich ein Gewitter in meinem Kopf zusammen. Je gestresster die Situation für mich ist, desto weniger Nähe kann ich zulassen, desto weniger Input vertrage ich. Irgendwann wird es einfach zuviel und ich brauche die Auszeit, ansonsten platze ich. Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich jemanden bewusst wegschubsen möchte oder er mir nicht Lieb ist, sondern das ist ein dringendes Bedürfnis in mir, alleine sein zu müssen, um wieder Kraft tanken zu können. Vielleicht kann man es so vergleichen: so wie du dringend Nähe benötigst, benötige ich Distanz. Ich benötige keine Aufmerksamkeit, um mich bestätigt zu fühlen. Wie gesagt, wir sind selbst noch in der Selbstfindungsphase, mein Freund hat obendrein eine Verlustangst, was unsere Problematik uns gegenüber besonders hervorgehoben hatte.

Morgen schreibe ich mehr, jetzt gehe ich ins Bett.
18.12.07, 01:19:08
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Aldaris~Adun
(Autistenbereich)

geändert von: Aldaris~Adun - 18.12.07, 09:26:48

Das kommt mir von mir selbst sehr bekannt vor.
"Irgendwie" habe ich es ja tatsächlich geschafft, zuletzt eine 4 jährige Beziehung zu führen. Die dann aus den altbekannten Gründen scheiterte.

Bei mir war es ebenfalls so, das ich nach der Arbeit erstmal Zeit zum abschalten, zum runterkommen brauchte.
Das liegt einfach daran, das der soziale Anteil der Arbeit für mich eine extreme Anstrengung ist, aber ich lebe ihn, um nicht völlig "aus dem Raster zu fallen", und damit eben prädestiniert für Mobbingattacken zu sein.

In dieser Zeit musste man mich absolut in Ruhe lassen, gewisserweise waren meine kommunikativen Kompensationsstrategien nach aussen hin heruntergefahren, ich brauchte Ruhe, Zeit für mich allein.
Die hatte ich real nur während der Arbeitswege im Auto.

Mein damaliger Lebensgefährte hat das, obwohl ich es weder erklären noch benennen konnte, irgendwann akzeptiert, und ich mich nach dem nach Hause kommen erstmal meine 1-2 Stunden vollkommen in Ruhe gelassen. Es ging eben auch nicht anders.

Erst danach konnte ich mich auf Kommunikation mit ihm einlassen. So richtig auf Dauer hat das freilich nicht funktioniert, er mag sich dabei zurückgesetz gefühlt haben. Wir wussten ja noch nicht, "was" ich bin.

Das ist heute prinzipiell genauso wenn ich nach Hause komme, allerdings sind es allein meine Katzen, die warten müssen bis ich "bereit" bin, und in der Zeit halte ich mich halt noch vom Internet fern.

Bei Berührungen oder Umarmungen ist es das selbe. Ich muss sie bewusst zulassen, sie müssen von jemandem kommen, bei dem das OK für mich oder angenehm ist. Dafür ist es eben absolut notwendig, das ich es kommen sehe. Wenn man mir von hinten auf die Schulter fasst, werde ich immer zusammenzucken (oder im schlimmeren Fall "ausschlagen" :P )... Das ist eben einfach so.

Es ist eine bewusste Handlung, und das für einen begrenzten Zeitraum auch zu geniessen, das musste ich erst lernen. Es hat Jahre gedauert, und ich weiss nicht, ob ich es jetzt noch kann, oder wieder neu erlernen müsste.

Das alles ist bei mir persönlich ein recht schmales Band, das immer zur Überlastung und damit zur totalen Abschaltung tendiert, jeden Tag aufs neue. Es ist sehr zerbrechlich undkompliziert oben drein, und von aussen nachvollziehbar ist es schon gar nicht.

Das macht sowas nicht einfach(er), das ist klar. Dafür braucht man keine Autismusdiagnose, diese "Besonderheit" hat es bei mir immer gegeben, nur heute kann ich sie eher erklären, da sie einen Begriff hat.
18.12.07, 09:25:31
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Samantha
(Angehörigenbereich)

ich bin wahnsinnig froh, diese forum gefunden zu haben und es ist sehr lieb von euch, dass ihr euch mit mir unterhaltet, auch oder gerade weil mein einstieg hier ja nun nicht gerade "nett" war.

es hilft mir sehr viel weiter und es macht schon einen gewaltigen unterschied aus, wie ich mich bei einer sache fühle, ob ich die ursachen kenne oder nicht kenne.

ich bin eben ganz anders.
wenn ich gestresst bin, dann brauch ich jemanden, der mich ablenkt, mit mir über irgendwas belanglos-schönes redet, damit ich nicht mehr an die viele arbeit denke. mich mit kaffee und kuchen aus dem büro lockt und mich in den arm nimmt oder mal sagt: komm, ich helf dir, wir machen das eben zusammen".

das sind für mich normalitäten und ich verstehe, dass ich IHM genauso erstmal sagen muß, welche bedürfnisse ich habe, weil er meine genausowenig nachvollziehen und/oder riechen kann wie ich seine.

die unterhaltung hilft, mißverständnisse zu vermeiden, statt mit frust mit einem wissenden lächeln zu reagieren.

es ist ja nach außen auch gar nicht so bekannt. wie ich einleitend schon mal sagte, ist das einzige, was man "nebenbei" sozusagen von autisten mitbekommt, ein beitrag im fernsehn von behinderten menschen, die weder sprechen noch sich richtig bewegen können.

natürlich denkt man dann nicht an autismus, wenn man einem menschen mit unverständlichen "macken" begegnet.

in der woche die ich hier bin hat sich schon viel verändert.
ich reagiere nicht mehr frustriert, bin nicht mehr so angespannt wenn ich mal ein zwei tage nichts von ihm höre.

ich sehe, wie er das zusammensein mit mir um so mehr genießt, er sich nicht mehr so unter druck gesetzt fühlt.

das glück in seinen augen zu sehen, weil er diese änderungen sicher sehr deutlich merkt, die hoffnung, dass es einen weg gibt. das ist das allerschönste dabei.

danke an euch alle, dass ihr so hilfreich zur seite steht.
18.12.07, 12:14:31
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uppsdaneben
(Autistenbereich)

Zitat von Samantha:
eine ernsthafte frage war zz-zwinkern


Ernsthaft ja, zielte aber in eine andere Richtung.

Zitat:
weil es bei mir anders ist. unerwünscht ist nur intimer körperkontakt.


Warum?

Zitat:
wenn mich zum beispiel jemand am arm faßt, um zu signalisieren, dass ich im weg rumstehe und er gern vorbei möchte, empfinde ich das nicht als unangenehm.


Warum?

Was ist für dich der Unterschied? In beiden Fällen wird dein Schutzabstand unterschritten.
18.12.07, 13:24:09
Link
Samantha
(Angehörigenbereich)

Zitat von uppsdaneben:
Zitat von Samantha:
eine ernsthafte frage war zz-zwinkern


Ernsthaft ja, zielte aber in eine andere Richtung.

Zitat:
weil es bei mir anders ist. unerwünscht ist nur intimer körperkontakt.


Warum?

Zitat:
wenn mich zum beispiel jemand am arm faßt, um zu signalisieren, dass ich im weg rumstehe und er gern vorbei möchte, empfinde ich das nicht als unangenehm.


Warum?

Was ist für dich der Unterschied? In beiden Fällen wird dein Schutzabstand unterschritten.


bei mir ist das eben anders. so einen "schutzabstand" kenne ich nicht, das wäre auch für intime berührung das falsche wort.
wenn mich jemand unabsichtlich berühert, im gedränge, disko, dann merke ich das gar nicht. wie..ja..wenn ich durch gebüsch laufe und mich die äste num mal streifen, weil da welche sind, ist das dasselbe. kein gefühl, keine emotionen - gar nichts. nur das angestoßen sein halt.

wenn mir jemand absichtlich an die brust oder in den schritt faßt, ist das ungehörig, frech, respektlos. deshalb ist es störend und aus demselben grund in folge dann unangenehm. also eigentlich nicht die berührung selbst an sich, sondern das WARUM dieser mensch das tut. und ich mit solchen leuten mit gossenhaften verhalten nichts zu tun haben will.

wenn mich jetzt zum beispiel in der u-bahn im gedränge jemand unabsichtlich beim drehen oder so an einer intimen stelle berühert, würde mich das nicht stören soweit ich sicher sein kann, dass die berührung unabsichtlich erfolgte.
18.12.07, 13:45:13
Link
Shiva
(Standard)

geändert von: Shiva - 18.12.07, 21:05:58

Samantha, ich kann natürlich nicht von mir auf andere schließen, jedoch gehe ich ganz stark davon aus, dass jemand, der autistische Züge hat, nicht freiwillig seine Freizeit opfern würde für einen Menschen, den er nicht mag! Wichtig ist, auf die kleinen Dinge zu achten, die für die meisten so selbstverständlich sind. Für mich ist es nicht selbstverständlich, so viel Zeit wie möglich mit einem Menschen zu verbringen. Ich funktioniere einfach anders. Weißt du, wie anstrengend es ist, sich gegenüber anderen Menschen "verstellen" zu müssen, um nicht ins Aus zu geraten? Ich arbeite mit jemanden im Büro, der sehr kommunikativ ist, das macht mich manchmal wahnsinnig, obwohl die Person freundlich ist. Da ich u. a. auch noch Ansprechpartner bin für unsere Mitarbeiter, ist da ständig wer, der mit mir reden muss. Ich mag es nicht, aber es gehört zu meinem Job und ich tue, was ich kann, um ihn zu erfüllen. Früher habe ich mich oft gefragt, warum anderen das so leicht fällt. Außerdem fühle ich mich auch oft wie ein steifes Brett, so lässt es sich wohl am besten ausdrücken. Die anderen erscheinen mir so natürlich und locker. Mir mangelt es nicht an fachlichem Wissen oder an Intelligenz, trotzdem komme ich mir unbeholfen vor. Vor allem beim Smalltalk. Einige suchen regelmäßig Kontakt und reden mit mir über alles mögliche, es ist schwer, sich in solchen Gesprächen zurecht zu finden. Fachwissen austauschen ist noch okay, weil es da für mich eine "Richtlinie" gibt (welchen Zweck erfüllt das Gespräch, was kann man dazu alles sagen, man verletzt keine sozialen Regeln...), aber sobald es in Richtung Smalltalk geht, winde ich mich innerlich regelrecht und lege mir alles mögliche zurecht, was ich sagen könnte, dadurch brauche ich manchmal länger für Antworten. In manchen Situationen kann es da auch durchaus mal zu einem Blackout kommen. Das Telefon klingelt und ich nehme ab und kriege kein Wort raus, weil ich vergessen habe, was man sagt. In solche Situationen lande ich immer wieder, auch im privaten Bereich.

Bin ich froh, wenn ich dann wieder daheim bin und ich mich wieder wie ich fühlen kann und ich ich sein darf. Ein Partner, der dann fordern würde, wäre eine zusätzliche Belastung. Manchmal mache ich mir auch Gedanken darüber, dass es eigentlich nicht fair ist, vom Partner zu erwarten, dass er mich in Ruhe lässt und mich immer von allein zu ihm kommen lässt. Aber so funktioniert es tatsächlich am besten, je mehr Freiraum ich habe, umso mehr kann ich geben. Sicher ist das dann immer noch nicht all das, was mein Partner im Normalfall erwarten würde.

Übrigens fühlen sich Umarmungen für mich an wie "Umklammerungen". Eine ganz kurze Umarmung bei normalen Zustand meinerseits mit kurzer seelischer Vorbereitung ist sogar ganz ok, aber eine richtige feste Umarmung, da bekomme ich Panik und es kann vorkommen, dass ich um mich schlage, vor allem wenn es überraschend kommt. Berührungen in der U-Bahn oder andere zufällige Körperkontakte mag ich ebenso nicht. Es fühlt sich einfach unangenehm an.

Sicherlich ist eine Beziehung eine Waagschale, und in deinem und auch meinem Fall mag sie unausgeglichen wirken. Was nur leider kaum jemand sieht ist, dass nicht nur die Partner der Autisten Kompromisse eingehen, sondern auch die Autisten selbst. Das sieht man jedoch erst, wenn man weiß, wie die Person im Normalfall handeln würde. Ich habe z. B. jeden Tag Kontakt mit meinem Partner, und sei es nur über Internet, das ist eigentlich ungewöhnlich für mich. Für dich ist das vielleicht selbstverständlich? Für mich ist das außergewöhnlich und besonders. Dass du anfängst, die kleinen Dinge zu bemerken an deinem Partner, ist für ihn sicherlich eine große Erleichterung.

Liebe Grüße, Shiva (heute nicht so overloaded, weil sie den halben Tag allein im Büro sein durfte :D )
18.12.07, 21:03:08
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Samantha
(Angehörigenbereich)

wir fühlen uns in einer umarmung, noch dazu von einem lieben menschen (das kann auch eine freundin sein) geborgen. deshalb ist euer verhalten für uns da erstmal unverständlich.

@shiva

hab dir ne pn geschickt.

ich bin auch oft mit freundinnen oder kumpels unterwegs, weil ich es als entspannung betrachte, mich mit anderen menschen zu umgeben, auszutauschen und was zu unternehmen. deshalb würde ich es normalerweise nicht als hervorstechende außergewöhnliche sympathiebekundung ansehen, wenn jemand seine "freizeit für mich opfert".
freizeit besteht für mich zum großen teil aus der wahrnehmung sozialer kontakte.

wenn ich das alles (jetzt noch) nicht wüßte, würde ich manchmal patzig reagieren nach dem motto "dann plan ich eben mit freunden was, wenn du keine zeit hast" und er würde die verletzheit dahinter mit sicherheit gar nicht bemerken.

dir auch liebe grüße und einen entspannten abend.
sam
18.12.07, 21:49:21
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Aldaris~Adun
(Autistenbereich)

Es ist so, das ich mich manchmal nach Geborgenheit sehne, die körperliche Ausdrucksform dessen aber nicht ertragen könnte.
Meine Bedürfnisse sind grundsätzlich keine anderen als eure, nur kann ich ihre Befriedigung auf den 'normalen' Wegen nicht erreichen, im Gegenteil erreiche ich dann das Gegenteil. Ich muss andere Wege gehen.

NA's laden sich in sozialen Situationen auf, gewinnen Energie... Autisten verlieren dabei Energie, es ist anstrengend...

Was Umarmungen oder allgemein Berührungen angeht... In meiner letzten Beziehung habe ich sie ja ausgiebig 'trainiert'. Es ist so, das ich eine Umarmung besser aushalten kann, wenn man sich einfach nur festhält, bewegungslos. Das kann angenehm sein.
Dabei aber noch mit den Händen streicheln oder derlei, das ist für mich dann unangenehm, das macht es kaputt, ist zuviel. Auch so etwas, das ich meinem ehem. Lebensgefährten nie erklärlich machen konnte, weils bei ihm eben umgekehrt war.
18.12.07, 21:57:17
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