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Autor Nachricht
Isabella
(Angehörigenbereich)

Es gab mal in den 80ger Jahren einen Jenaer Doktoranden, der das Thema "Die Langsamkeit des Seins" eruiert und postuliert und mir gewidmet hat. Jetzt wirklich; ich habe das schriftlich. Seine Doktorarbeit habe ich nun im Bücherregal stehen und bin dafür dankbar. Im Grunde ging es dabei darum (grob zusammen gefasst), daß wir in der Kindheit zwar unfähig sind, den Ball zu fangen oder im Tor zu halten, aber Kreisläufe wie die von Mond und Sonne, so intensiv zu begreifen, daß wir gleichbedeutend, weil wir so intensiv langsam in Gedanken versunken sind, in der Lage sind, als einzige aus dem Chaos einen direkten Ausweg und den viel schneller finden, als diejenigen, die schnelllebig Hypothesen aufstellen, um darauf hin noch ein ganzes Labirinth zu durchforsten haben, bis sie etwas verstanden haben - also den längeren und somit der eigentlich langsameren Weg gehen, als den, den wir gehen, obwohl wir eigentlich langsamer sind, letztendlich aber schneller und effektiver.
29.06.09, 03:49:21
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Wasserspiegel
(Standard)

Zitat von drvaust:
Gestern hatte ich ein Beispiel für meine Langsamkeit.
Ich sah also, daß ich mich verletzte, dachte darüber nach, spürte aber noch nichts und konnte nicht schnell reagieren.
Als ich den Schmerz spürte, konnte ich noch denken, ehe der Reflex einsetzte.
Ich vermute, daß das nicht normal ist.

Ähnliche Sachen passieren mir immer wieder.
Ich sehe, daß etwas passieren wird, denke darüber nach, kann aber nicht mehr reagieren oder reagiere zu spät.


Ja das kenne ich auch. Ich greife, wenn ich mir etwas zu essen mache, immer in den heißen Ofen, sodass ich das Blech immer genau hineinschieben kann und irgendwann dachte ich so bei mir, naja, dass muss ja langsam mal weh tun ( der Ofen war auf 200°C vorgeheizt). Meine Familie bekommt immer einen Schreck wenn ich soetwas mache. Doch plötzlich war ich kurz unkonzentriert und bin an die Wand des Backofens gekommen. Das habe ich aber gespürt. Jetzt habe ich zwei Brandnarben an meiner Hand, da ich reflexartig nach oben an das Glüheisen stieß traurig So etwas ist mir eine Lehre das mache ich nie wieder.

Ich glaube, bei den meisten Autisten ist einfach das Schmerzempfinden etwas verzögert. Einige Wissenschaftler haben ja behauptet, Autisten hätten mehr Adrenalin im Blut. Naja ob das stimmt?! Das würde immerhin die Verzögerung erklären, da Adrenalin die Schmerzempfindlichkeit herrab setzt.

Ich habe noch ein Beispiel aus meinem Alltag.
Das ich früher etwas "schusselig" war und heute noch bin, ist fast schon normal. Ich hatte mal im Bus gesessen und war so in meine Gedankenwelt vertieft, dass ich gar nicht mitbekommen habe das ich gerade im Inbegriff war an meiner Haltestelle vorbei zu fahren. Eine Klassenkammeradin machte mich darauf aufmerksam. Ich reagierte nicht gerade sehr adäquat und nur sehr langsam und verpasste schließlich meine Haltestelle. Als ich an der nächsten aussteigen wollte, lief ich zur Tür und wollte mich im gehen bei meiner Mitschülerin bedanken, die mir den Hinweis gegeben hatte. Doch plötzlich ging die Tür vom Bus ruckartig auf und ich fiel stupide nach vorne raus. Ich sah mich noch fallen, dachte darüber nach, konnte mich aber nicht mehr abrollen und knallte auf den Bordstein. Ich merkte noch nicht wirklich was. Ich hatte mich nur fürchterlich erschreckt. Als ich meinen Kopf in Richtung des Busses drehte, der gerade wieder abfuhr, sah ich die grinsenden Gesichter der Schüler, die hinten durch die Rückscheibe lugten. Ich war "stink sauer"!
29.06.09, 17:31:08
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Mas2012
(Gastzugang)

So jetzt hab ich fast einen Roman geschrieben
und weg war er :-)

Ich probiers in einer Kurzfassung.

Wir sehen und Fühlen in solchen Momenten in Zeitlupe.
Sind dann nicht eigentlich wir A schneller? ;-)

Wenn der Held in Filmen seine Gegner in Zeitlupe sieht,
hat er doch immer einen Vorteil und kann das Böse locker besiegen ;-)

Ich persönlich seh das als Vorteil.
Ich tu mir nur selten weh, bzw. liege ich ganz selten am Boden.
Deshalb fand ich sehr interressant, wie ihr das einschätzt.

Wenn ein Ball über den Tisch rollt, hat man mehrere Möglichkeiten.
1.) Man greift schnell aber eher unpräziese zu.
Gehirn und Hand hatten nicht genug Zeit. Kaum Erfolgsaussichten.
2.) Wenn der Ball über die Kante fällt. Besser -> machen meiner
Erfahrung nach die meisten Menschen.
Trotzdem nur 30% Erfolgschancen
3.) Man reagiert gar nicht

Ich reagiere zwischen 2 und 3. Ich warte in meiner "Zeitlupe"
bis der Ball ungefäir die Hälfte des Weges zum Boden erreicht hat
und Fang den Ball in einer Blitzschnellen Bewegung kurz vor dem Boden auf. Ich lass mir Zeit, warte bis ich mir sicher bin und mein Gehirn
auch die Zeit hatte sich auf eine schnelle Bewegung einzustellen.

NA können zumeist nicht verstehen, wie ich so schnell reagieren konnte :-)

Beim eigenen Stolpern das Gleiche.
Wenn ich mit dem Rechten Fuss stolpere muss ich auch den rechten
Fuss nehmen um mein Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Im Schritttempo reichen normal zwei Korrekturschritte.
Während mein Körper fällt, hab ich Zeit bis ich ungefair
45° Körperneigung erreicht hab.
Bis dahin schau ich, wo ich den Rechten Fuss aufsetzen muss,
um mein Gewicht abzufangen und nicht wieder mein Gleichgewicht
zu verlieren.
Und ich schau jetzt schon, wenn es geht, wo ich den zweiten Schritt
mit dem Linken Fuss danach hinsetzen kann.
Ich warte also "gemütlich" bis ich die Neigung erreicht hab
und zieh dann Blitzschnell den rechten Fuss auf den zuvor
ausgesuchten Platz.
Da wir ja noch immer von der Erdanziehung angezogen werden,
fang ich dann den Sturz mit dem linken Fuss entgültig ab.

Wichtig, ich hab das für den Ernstfall mit einer grossen Matraze
am Boden geübt. Unser Gehirn braucht viel Wiederholungen.
Irgendwann geht das dann wie von selbst.

Ich war schon öfter stolz auf mich, weil ich eine beinahe
Auswegslose Situation noch gerettet hab :-)

Für mich ist das Glas halb voll ;-)
29.06.09, 18:58:54
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quamquam
(Gastzugang)

Ich kenne das Problem auch nicht. Ich falle selten hin, tue mir selten weh. Meistens passiert das auch, weil es eine Fremdeinwirkung gab.

Besonders im Kindergarten war mir das sehr von Nutzen, weil ich Umfälle von Kindern immer Vorsehen konnte. Wenn ein Kind fiel, konnte ich es in der Regel rechtzeitig auffangen.

Ich denke, dass das von Autist zu Autist unterschiedlich ist und sich nicht pauschalisieren lässt...
29.06.09, 19:07:51
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haggard
(Autistenbereich)

bezüglich mehr adrenalin im blut:
das würde sich bei mir ganz stark auf meine koordinierung auswirken womit ich eher wie jemand mit morbus parkinson wirken würde. hatte einige erlebnisse mit vermehrter adrenalinausschüttung - und das finde ich furchtbar.
29.06.09, 21:48:00
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Wer aufgrund verbreit mangelhafter Barrierefreiheit im Alltag unter höherer Belastung steht hat vielleicht deswegen einen höheren Spiegel?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
29.06.09, 22:14:34
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drvaust
(stillgelegt)

Zitat von 55555:
... unter höherer Belastung steht hat vielleicht deswegen einen höheren Spiegel?
Das leuchtet ein. Mehr Streß = mehr Adrenalin. Wobei Adrenalin den Körper belastet.

Ich kann nicht schnell und überlegt reagieren, weil ich mich nicht schnell bewegen kann.
Mir ist es schon passiert, daß ich stürzte und dabei die Folgen abschätzen konnte, aber nicht körperlich reagieren konnte.
Oder daß ich eine Ausgleichsbewegung machte, nachdem ich gestürzt war (zuckte sinnlos am Boden).
weinen Wenn ich mich schnell bewegen will, verliere ich die Koordination, dann zappele ich nur unkoordiniert.
Das hatte ich mal in Sport systematisch getestet.
Ab einer bestimmten Geschwindigkeit kommen mir die Bewegungen durcheinander, die ich langsamer routiniert kann.
zwinkern Bei Handball amüsierte ich meine Mitschüler.
Ich fing den Ball richtig, nur daß der schon vorbei war oder mich getroffen hatte.
Ich sah, wie der Ball kam, reagierte richtig, aber die Bewegung kam zu spät,
was ich in dem Moment schon gemerkt hatte, aber nicht mehr stoppen konnte.
29.06.09, 23:25:05
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tevli
(Standard)

das problem kenne ich aus meinen mathe prüfungen

ich glaub das ist ein lösbares problem .. man muss es nur angehn, am besten mann sagt sich das mann nicht immer perfekt sein muss. perfektion is eine sache die einen fertig machen kann.

gestatte dir selber fehler. nobody is perfekt

mir hat ein satz eines freundes geholfen damit fertig zu werden, er lautet "scheis auf die" und dahinter is mehr weisheit als man auf den ersten blick erkennen kann
30.06.09, 00:09:01
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quamquam
(Gastzugang)

Hmm, darum geht es glaub ich nicht, sondern mehr darum, dass man bei manchen Dingen oft einfach länger braucht als nicht Autisten.
30.06.09, 00:14:25
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tevli
(Standard)

hmm es gibt auch nicht autisten die für manache sachen länger brauchen das is denk ich eine eigenart der menschen und hat nix mit autismus zu tun
kann zwar sein, is aber schwer nachzuweisen
30.06.09, 00:33:48
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Wasserspiegel
(Standard)

Ich persönlich hab auch teilweise gute Erfahrungen mit Ballsportarten gehabt. Wenn ich das Spiel erstmal begriffen und eingeordnet habe, kann ich auch adäquat reagieren, andernfalls landet der Ball auf meiner Nase und ich werde wütend. Der Sportunterricht in der Schule war manchmal Horror, gerade solche Sportarten wie Fußball, Hockey, Basketball, Handball... sowas habe ich nie begriffen. Für mich, nur ein bunt gewürfelter Haufen Menschen die einen Ball oder Puk hinterher rennen. Für mich unbegreiflich. Und plötzlich war da so ein Spiel wie Volleyball, etwas mit Struktur und Reaktionszeit, durchaus ab zu schätzen, am Anfang recht schwierig, doch wenn man es erst kann funktioniert's plötztlich. Und es machte sogar Spaß...
30.06.09, 00:37:46
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Quadriga
(Irrgeleitetes Subjekt)

In der Schule habe ich schon immer Probleme damit etwas zu hören und gleichzeitg aufzuschreiben. Das schaffe ich mit größer Mühe nur dann, wenn ich mich dann abwechselnd auf das Schreiben und auf das Zuhören konzentrierte. Ebenso ist, wie es quamquam beschrieb, dass ich zwar einem Lied gut zuhören kann, aber nicht gleichzeit alles aufschreiben kann, was ich höre. Das geht nicht. Entweder ich höre zu, oder ich schreibe, beides zusammen geht nicht, weil sich da die Gedanken in meinem Kopf verdrehen und es dann so ist, als würde man mehrere Bilder überlagern und dann das einzelne nicht mehr erkennen können.
Ich versuche mich zwar oft schon von Kind an in der Schnelligkeit zu üben, aber es bleiben dennoch Bereiche, die ich nicht so schnell schaffe, wie ich müsste.

Hingegen kann ich aber schnell lernen, und denken, wenn mich etwas interessiert und ich es frei von mir ausmache. Manche Bewundern mich auch dafür, dass ich gewisse Dinge sehr schnell lernen kann. Wenn ich zB einen interessanten Text lernen soll, und ich Ruhe dabei habe, schaffe ich es auch 2 Din A4 Seiten innerhalb einer halben Stunde zu lernen, so dass ich mir dann Muster anlegen kann und Signalwörter im Kopf habe, so dass ich es nahezu 1 zu 1 bei einer Abfrage wieder geben kann, wobei ich dann aber meinem Muster folgen will, sonst kann ich wieder durcheinander kommen.

Wie es beim Sport und Gehen ist, schrieb ich schon hier: http://autismus.ra.unen.de/topic.php?id=3706&page=2흭

Derzeit beschäftige ich mich wieder mit WebDesign, hierbei bin ich jedoch derzeit sehr langsam, was aber auch an meiner eher schlechteren Verfassung liegen kann. Dennoch kann ich nahezu pausenlos mich damit beschäftigen, auch wenn ich nicht so schnell bin.

I'm only a unidentifiable broken piece of myself.

-

[Aufgrund eines Kniggeverfahrens zu dauerhafter Sperrung nach Nutzerabstimmung verurteilt, gesperrt, auf Bewährung nach Nutzerentscheid wieder freigeschaltet und nach einem weiterem Regelverstoß nach Verständigung in einem Kniggeverfahren dauerhaft gesperrt, mfg [55555]]
15.06.10, 01:04:05
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