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Der Mann, der im «Fall Bonstetten» seinen kleinen Sohn erstickt hat, verfolgt vor dem Zürcher Obergericht eine neue Verteidigungsstrategie. Mit Blick auf den Berufungsprozess, der heute Dienstag begonnen hat, hat er ein neues Gutachten eingereicht. Er macht geltend, er leide am Asperger Syndrom, einer autistischen Störung.
Im Gefängnis hat sich der 65-jährige Schweizer durch alle erreichbare Literatur zum Thema gearbeitet. «Es war eine Erlösung», sagte er vor Gericht. Er habe Einsicht in seine eigene Struktur erhalten. Ein Privatgutachten eines Autismus-Spezialisten, das dem Gericht erst seit einigen Tagen vorliegt, bescheinigt dem Mann zwar kein Asperger Syndrom. Er weise aber verschiedene Auffälligkeiten auf, welche für autistische Strukturen sprächen, heisst es darin.
Der Gutachter empfahl genauere Abklärungen, unter anderem neuropsychologische Tests. Für diese Störung gebe es erfolgreiche Therapiekonzepte, die zu absolvieren der Beschuldigte sich vor Gericht ausdrücklich bereit erklärte. Damit widerlegte er ein zentrales Element der Anklage-Argumentation für eine Verwahrung: Dass er nämlich untherapierbar sei und auch gar keine Therapiebereitschaft zeige.
Die amtlichen Gutachter hatten keine Anzeichen für Autismus gefunden. Sie hatten dem Beschuldigten eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen attestiert. Im Auftrag des Gerichts werden sie jetzt das umfangreiche neue Gutachten unter die Lupe nehmen. «Die Wahrscheinlichkeit von relevanten Befunden ist zwar gering», sagte der vorsitzende Richter. Eine sorgfältige Abklärung sei aber unabdingbar, gehe es doch um sehr viel, nämlich lebenslangen Freiheitsentzug und Verwahrung.