Zitat:
Tiere haben dasselbe Recht auf Leben und Freiheit wie wir Menschen auch: Ein Gespräch mit dem kanadischen Philosophen Will Kymlicka über seine Forderung, Tieren Bürgerrechte zu verleihen.
Es hat lange gedauert, bis sich die Wissenschaften endlich der Tiere angenommen haben und sie nicht bloß als programmierbare Automaten oder als instinktgesteuerte Wesen ohne Sinn und Verstand wahrnehmen. Eine neue Generation von Biologen, Philosophen, Historikern und Soziologen entdeckt die facettenreiche Gedanken-, Sozial- und Bedeutungswelt nichtmenschlicher Lebewesen.
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Kymlicka: Vielfalt ist immer eine Herausforderung, aber sie ist eben auch die Grundlage des Lebens. Isolierte Genpools sterben aus. Isolierte Kulturen stagnieren und verkrusten. Eine Inspirationsquelle für unser Buch Zoopolis, und auch titelgebend, war die Arbeit von Jennifer Wolch und anderen Stadtökologen, die sich eine Wiederverzauberung menschlicher Gesellschaften erhoffen, indem wir die Natur und die Tiere wieder zurück in unser Leben lassen. Die Moderne hat eine starke Grenze zwischen »Natur« und »Kultur« gezogen – demnach bewohnen die Menschen die Kulturzone, die Tiere gehören irgendwoanders hin, in die Natur. Aber das ist eine verzerrte Sicht auf die Dinge. Tiere waren schon immer in unserer Nähe, wir haben nur gelernt, sie zu ignorieren.
ZEIT: Wenn man Ihr Buch liest, merkt man, dass Sie in der Lage sind, Tiere sehr präzise wahrzunehmen und auf das Genaueste zu beobachten.
Kymlicka: Während wir an unserem Buch schrieben, haben meine Frau und ich begonnen, unsere Umgebung mit neuen Augen zu betrachten. Es ist, als ob man eine Sichtblende abnähme, und plötzlich sieht man das städtische Leben in all seiner Buntheit und Vielfalt. Ich denke, dass wir Menschen einen hohen Preis dafür zahlen, dass wir versucht haben, uns so stark von der nichtmenschlichen Welt abzuschotten. Eine der positiven Botschaften von Zoopolis ist, dass wir nicht erst in die Wildnis reisen müssen, um eine Verbindung zu den Tieren wiederherzustellen. Wir müssen eigentlich nur unsere Augen öffnen und die vielen Möglichkeiten wahrnehmen, die unsere gemischte Gesellschaft von Menschen und Tieren schon bereithält.