Forum für

Autisten und interessierte Zeitgenossen

Mein Name ist Benjamin. Ich bin genetisch gesehen männlichen Geschlechts. Ich mag Zahlen, Worte in ihrer richtigen Bedeutung, Musik. Ich kann mit Menschen interagieren, darüber bin ich froh. Allerdings habe ich erst sehr spät die Sprache so gelernt, dass mein Umfeld versteht, was ich sagen will. Davor gab es oft Missverständnisse.

Sensorisch bin ich empfindlich. Schon leichte Berührungen können sehr unangenehm und störend sein. Laute Geräusche, die ich nicht selbst regulieren kann, empfinde ich als unangenehm. Ich halte keine festen Zeitschemata bewusst ein, habe aber einen sehr konstanten Rhythmus, auch wenn ich keine Uhr benutze. Ich kann auf die Sekunde genau an einem vereinbarten Ort sein, ohne mich dabei zeitlich orientieren zu müssen. Oft muss ich dann aber warten, weil die anderen Leute das trotz Uhr nicht schaffen. Für mich ist das nicht anstrengend, ich laufe einfach nach einem Rhythmus.

Ich mag es, allein zu sein. Aber ich freue mich, wenn ich Besuch bekomme von Menschen, die mich so akzeptieren, wie ich bin. Menschen, die lachen können. Laute Worte oder schreien mag ich gar nicht. Ich mag es auch nicht, wenn man mich zwingt, mich nach bestimmten Schemata zu verhalten, ohne dass man mir die Logik dieses Verhaltens erklären kann.

Ich mag eindeutige, klare Aussagen und Anweisungen. Gut ist, wenn man mir Dinge so erklärt, dass man das Gesagte mit einer Handlung verbindet, die ich beobachten kann. Wenn es mir logisch erscheint, mache ich das meistens auch ohne Schwierigkeiten nach.

Ich mag es gar nicht, wenn Menschen emotional werden und in Sätze von mir etwas hineindenken/hineinfühlen, was da gar nicht drin ist. Ich bin nur deshalb gerne allein, weil damit sicher ist, dass solche Begebenheiten nicht oft passieren.

Ich mag Trickfilme. Ich mag klassische Musik. Ich mag Stofftiere. Ich mag Bäume und ich mag Farben. Grelles Licht mag ich nicht, schaue aber gerne in die Sonne.

Ich mag es nicht, wenn man mir eine Frage stellt und mit der Antwort nicht zufrieden ist. Vor allem, wenn man dann versucht, meine (erfragte) Entscheidung abzuändern. Fragen mag ich allgemein nicht. Wenn mir wichtig ist, dass eine andere Person etwas erfahren muss, dann sage ich es von mir aus. Dinge, die ich nicht sage, sind auch nicht wichtig. Außer natürlich offensichtliche Dinge. Ich muss nicht sagen, dass ich Durst habe - trinken gehört dazu.

Ich mag keine verschlossenen Türen. Ich mag es nicht, wenn ich in meinem Weg behindert werde. Dann bleibe ich so lange stehen, bis das Hindernis aus dem Weg geräumt ist. Aber ich habe gelernt, dass man auch drum herum gehen kann.

Meine Lieblingszahl ist PI. Diese Zahl hat interessante Muster. Damit kann ich mich stundenlang beschäftigen.

Wie gesagt: mein Name ist Benjamin.

Nachtrag. Ich habe mir mal die "verbotenen Worte" durchgelesen. Das hat mir sehr geholfen. Wer diese Worte nicht hören mag, an dieser Stelle bitte mit Lesen aufhören.

Zehenspitzengang: es schmerzt an manchen Tagen so sehr, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als so zu laufen, obwohl das ziemlich anstrengend ist. Schon die falschen Schuhe eingekauft und es wird noch schlimmer. Besonders dann, wenn ich den Fuß so flach wie möglich über dem Boden schweben lasse - damit es nicht so auffällt - ist es sehr anstrengend.

Wahrnehmungsstörung: ein scheinbar sehr beliebter Begriff, wenn Ärzten nix anderes mehr einfällt. Erst seit ich einen Fotoapparat habe, kann ich zeigen, dass meine Wahrnehmung nicht gestört ist, sondern sich meine Aufmerksamkeit auf Details richtet, die den NA's entgehen.

Unangemessene Verhaltensweisen werden/ wurden mir nur zu gerne unterstützt. Seit ich meine neue Pflege-Mutter habe, die da irgendwie ganz anders ist, sind diese Verhaltensweisen plötzlich nicht mehr unangemessen, sondern Ausdruck besonderer Persönlichkeit. Schon seltsam, wie unterschiedlich die Interpretation des Verhaltens ist.

Kristallkind klingt wie eine andere Form von Goldkind. Die chemische und physikalische Zusammensetzung eines Kristalls hat wohl wenig mit der menschlichen Natur zu tun, ob es ein Autist ist oder nicht.

Ergotherapie nenne ich auch gerne "Ärgertherapie" und bin relativ davon befreit, seit ich die Therapeutin "Basteltante" genannt habe, was von den Ergotherapeuten genauso gerne gehört wird, wie von den Autisten "gestörte Persönlichkeit". Genau diese völlig unklare Definition gebrauchen Ärzte offensichtlich sehr gerne. Anstatt zu schauen, woher die störenden Einflüsse kommen, wird die Last der Verantwortung auf mich abgewälzt. Ist auch einfach, ich kann mich ja nicht wehren.

"Mentale Herausforderung" ist für mich ein schöner, sehr zutreffender Begriff, denn als "Sonderling" in einer Welt sonderlicher Menschen zu leben, ist eine echte Herausforderung.

Vielen Dank. Barrierefreiheit geht auch an diesem Forum nicht ganz vorbei, denn bei der Benutzung des Forums sind einige Barrieren. Ich konnte diese Barrieren aber überwinden.

Wenn du mitteilst, was für dich wie eine Barriere wirkte, kann man da vielleicht das eine oder andere verbessern?

Hallo.

Hallo