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Autor Nachricht
55555
(Fettnäpfchendetektor)

Intuition: Erkennen, daß jemand anderes Autist ist.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
13.03.13, 18:38:51
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eraser
(Autistenbereich)

Das sehe ich an den Augen. Ich fühle mich beim Blickkontakt nicht unwohl, wie sonst immer und ich weiß in der Regel auch, wie derjenige sich fühlt.
NAs machen das mit der Mimik und da hab ich so meine Probleme, weil ein Gesichtsausdruck ein komplexes Zusammenspiel vieler Details ist. Da sind wir wieder beim Multitasking.
13.03.13, 19:17:54
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Wie wäre es denn in der direkteren ungefilterteren Wahrnehmung den Kern zu sehen? Die dann in erhebliche Kollision kommt mit den letztlich oft willkürlichen Deutungen der durchschnitlichen Nichtautisten?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
13.03.13, 22:02:08
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schuschu
(Angehörigenbereich)

Zitat von 55555:

Das Verblüffende ist aber, daß intuitives Erkennen im Alltag möglich scheint.


ja, intuitives erkennen, das trifft es wohl für mich auch.

@eraser: sorry, habe es nicht geschafft, aus verschiedenen beiträgen zu zitieren, deshalb so:

du sagst, du erkennst an den augen, da fällt mir ein, man sagt ja auch: " die augen sind das tor zur seele?"

vielleicht erkennst du ja doch intuitiv?
der kern ist für mich etwas ganz uressentielles, hat nichts mit den äusseren dingen wie hohe wahrnehmung oder multitasking oder so zu tun.
es ist etwas wahrhaftiges, nicht greifbares aber das ich bei autisten immer erkenne...etwas lichtvolles?...ich kanns also mit worten nicht wirklich ausdrücken ...aber es ist etwas , was ich wahrscheinlich intuitiv im gefühl erkenne.
13.03.13, 22:43:17
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eraser
(Autistenbereich)

@schuschu:
Meine "Intuition" war nicht immer vorhanden. Als ich ein Kind war, waren Augen einfach hübsche, bunte Murmeln.
Erst ab etwa Ende zwanzig fiel mir auf, dass ich bei manchen Menschen erkenne, wie sie sich fühlen.
Ich habe mich auch anfangs öfter bewusst gefragt, wie XY sich wohl fühlt. Jetzt ist es so, dass es mich förmlich anspringt.

Möglicherweise ist auch das ein automatisierter Prozess, ursprünglich bewusst, zunehmend unbewusst, denn ich kann mich erinnern, dass ich als Kind nicht reflexhaft lachen musste, wenn jemand anders lachte und jetzt ist es aber sehr wohl so. Dazwischen lag eine Trainingsphase, in der ich versucht habe, bewusst zu spiegeln.
Ich mache da erstaunliche Fortschritte, ich habe sogar kürzlich geweint, weil jemand anders geweint hat. Das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.

Ich will auch nicht meine Wahrnehmung generalisieren. Ich schaue mir sehr viele Spielfilme an, analysiere die Motive der Figuren, achte auf die Mimik und spule auch mal zurück. Wenn man einen bestimmten Gesichtsausdruck tausend Mal gesehen hat, immer wenn die Zombies kommen, dann weiß man, wie Erschrecken oder Angst aussieht.

Mit den Augen von anderen Autisten ist es trotzdem so, dass ich es sehe, weil der Blick klar ist. Wenn zwei Gehirne sich gegenseitig nüchtern betrachten und beide sich denken, dass es doch irgendwie merkwürdig ist, jemandem so in den Kopf zu schauen, dann ist es etwas anderes als der typische NT-Blick, der auch aus zwei Glasaugen stammen könnte. Tiere schauen übrigens auch so autistisch, vielleicht ist es etwas Unverstelltes.


@55555:
Du kannst es direkte, ungefilterte Wahrnehmung nennen und ich nenne es aus der Abwesenheit von Filtern resultierende besondere Wahrnehmung. Der Kern ist eben dann die Abwesenheit oder ungenügende Anwesenheit von Wahrnehmungsfiltern, die den Wahrnehmenden zu einer sehr fokussierten und konzentrierten Wahrnehmung zwingt, weil die Aufgabe "Sinneseindrücke sinnvoll sortieren" bewusst nebenher bewältigt werden muss.

Es gibt solche Lehrfilmchen, mit denen man Studenten vermitteln will, dass sie es nicht wahrnehmen, wenn eine nackte Frau, die niemand erwartet, 2 Sekunden lang am Bildrand zu sehen ist. Diese Filme haben bei mir nicht funktioniert. Ich sah die Frau natürlich, denn ich nehme bewusst wahr.
13.03.13, 23:32:07
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

"Abwesenheit von" suggeriert halt, daß eigentlich etwas anwesend sein müßte? "Ungenügend" ist dann sogar klar pathologisierend, wo die Realität einfach vielfältig ist. Ich betrachte direkte Wahrnehmung und geringer durch Triebe determiniertes Sein auf keinen Fall für irgendwie minderwertiger. Es ist ein authetischeres Sein, während viele NA mehr oder weniger in Traumwelten leben.

Ist eine ungefiltertere Wahrnehmung zwangsläufig fokussierter? Widerspricht dem nicht das Beispiel mit der Frau?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
13.03.13, 23:50:17
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eraser
(Autistenbereich)

Zitat von 55555:
"Abwesenheit von" suggeriert halt, daß eigentlich etwas anwesend sein müßte? "Ungenügend" ist dann sogar klar pathologisierend, wo die Realität einfach vielfältig ist.

Abwesenheit oder ungenügende Anwesenheit suggeriert natürlich eine Art Defizit, aber "Frauen haben keinen Penis" ist auch kein pathologisierendes Defizit, denn sie haben dafür was anderes Tolles.
Und selbst totales Fehlen von irgendwas ohne was anderes Tolles ist auch nicht zwangsläufig negativ. Nacktschnecken haben kein Gehäuse. Sie passen darum in kleinste Ritzen und sind schneller. Vor Fressfeinden schützen sie sich durch üblen Geschmack. Die Abwesenheit eines Gehäuses kann positiv sein und die nur ungenügende Anwesenheit von Krebzellen kann - obwohl sie negativ für den Krebs ist - positiv für einen Organismus sein.
Autisten haben keine (oder wenig) Filter. Das hat Vorteile und Nachteile genau wie bei der Zubereitung von Kaffee mit oder ohne Filter sich Vorteile und Nachteile ergeben. Mehr Geschmack, aber auch mehr Krümel im Mund.

Zitat von 55555:

Ich betrachte direkte Wahrnehmung und geringer durch Triebe determiniertes Sein auf keinen Fall für irgendwie minderwertiger.

Nee, aber es ist anders. Ich glaube, dass fokussierte Wahrnehmung bewusster ist und darum der Trieb ausgeblendet wird, denn das kann ich nicht auch noch nebenher bewältigen.

Besser, schlechter... mit solchen Dingen beschäftige ich mich eigentlich gar nicht.
Natürlich fehlt den NAs so einiges, aber uns vielleicht auch. Ich werde mich nicht über und auch ganz sicher nicht unter andere Menschen stellen.

Zitat von 55555:
Es ist ein authetischeres Sein, während viele NA mehr oder weniger in Traumwelten leben.

Ja, aber das nehmen wir an. Wir wissen es auch nicht so genau. In einem sozialen Kontext, wenn z.B. fünfzehn Leute auf einer Party irgendwie irgendwas mit ihren Gesichtern machen, fühle ich mich schon ziemlich fish out of water. Da kann ich nicht wahrnehmen, was passiert, weil zu viel gleichzeitig passiert und weil ich das Unwichtige (Peter fällt der Korkenzieher runter) erst mühsam vom Wichtigen (Sabine guckt extrem grimmig) trennen muss.

Zitat von 55555:

Ist eine ungefiltertere Wahrnehmung zwangsläufig fokussierter? Widerspricht dem nicht das Beispiel mit der Frau?

Nein, denn die Fokussierung ist in gewisser Weise eine Reaktion auf die Filterlosigkeit. Weil das kein Mensch aushält, 20.000 Sinneseindrücke in der Sekunde, muss man selbstkonstruierte Filter bewusst setzen. Der Raum sieht aus wie immer, kurzer Check, Raum kann jetzt ausgeblendet werden. Bleiben noch 5.000 Sinneseindrücke. Wie werde ich die los? Ich konzentriere mich am besten auf ein Kugellager, das ich in der Hand drehe. Alles andere blende ich aus. Dreh dreh dreh.

Umso älter und gewiefter ein Autist ist, desto besser kann (und muss) er diese Filter bewusst setzen. Eine Umgebung, die so ist wie immer, ist extrem hilfreich, denn alle Reize, jedes Bildpixel quasi, sind bekannt. Man kriegt sie nicht wirklich aus dem Bewusstsein, aber man schafft die Aufmerksamkeit weg von dem Fleck an der Decke, der da immer ist.

Die Frau im Film sehe ich, weil die Aufgabe lautet: "Sieh alles auf dem Bildschirm."
Ich sehe dann alles und ich sehe es auch bewusst. Ich betrachte ja nur eine Bildfolge, nicht zwei parallele Bildfolgen. Das Tempo ist dabei egal, mein Gehirn verarbeitet etwa 10 Bilder in der Sekunde.
Die NAs tun das, was ich mit höchster Aufmerksamkeit tun muss, um es überhaupt hinzukriegen, nicht mit dieser Konzentration. Sie schreiben nebenher SMS, denken an den Einkauf für das Abendessen und fragen sich, warum der Professor immer denselben Pullover an hat. Hat er lauter identische oder ist es wirklich derselbe?
Zack, schon haben sie die Frau verpasst, die ich Luchs gesehen habe. Falls ich nicht gestört wurde, weil irgendwo geflüstert wurde.

Das, was ich bewusst (oder vielleicht sogar inzwischen unbewusst und antrainiert) raus filtere mit großem Energieaufwand, kann jederzeit wie ein Tsunami in meine Wahrnehmung einbrechen, wenn ich nicht aufpasse.
Das Filtern verstopft außerdem meinen Arbeitsspeicher und ich kann nur einen einzigen Task gleichzeitig erledigen.
Meine Filter funktionieren nicht so, dass ich von dem Filterprozess gar nichts mitbekomme, wie ein NA vermutlich, sondern der Datenstrom fließt am oberen Bildrand vorbei und wenn da etwas ungewöhnlich ist, dann sehe ich das und es haut mich aus der Bahn.

Ich würde sagen, ja, ich nehme wohl direkter und ungefilterter wahr. Ich nehme vieles gleichzeitig wahr. Ich muss aber meinen Fokus auf etwas bestimmtes legen, denn sonst stehe ich einfach nur eine Stunde da und nehme wahr. Unglaublich, was es alles so wahrzunehmen gibt, sogar in der eigenen Wohnung, die man so gut kennt. Ich kann Stunden damit verbringen, irgendwo einfach zu sein und wahrzunehmen. Ich nehme wahr, dass man mich vor 25 Minuten angesprochen hat, aber ich reagiere nicht, weil meine Wahrnehmung mich so beansprucht. So kann man nicht funktionieren, also muss der Filter rein und der Fokus muss gesetzt werden und willkommen in der Welt der Menschlinge.
Ist nun mal so.
15.03.13, 00:59:51
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat von eraser:
Abwesenheit oder ungenügende Anwesenheit suggeriert natürlich eine Art Defizit,

Ja.
Zitat:
aber "Frauen haben keinen Penis" ist auch kein pathologisierendes Defizit

Richtig, zumindest was den Wortlaut betrifft.
Zitat:
Und selbst totales Fehlen von irgendwas ohne was anderes Tolles ist auch nicht zwangsläufig negativ.

Deine Formulierungsvarianten legen aus meiner Sicht nahe, daß du noch nicht recht verstanden hast, worauf ich hinauswill. Zu schreiben "es fehlt XY" ist im Gegensatz zu "hat kein XY" keine neutrale Formulierung. "Fehlen" suggeriert eine Art Bauplan, die nicht erreicht wird, "kein" hingegen ist für mich eine neutrale Feststellung ohne Wertung auf der Begriffsebene.
Zitat:
die nur ungenügende Anwesenheit von Krebzellen

Wer formuliert im Alltag sowas (abgesehen von dem fehlenden Buchstaben)?
Zitat:
Autisten haben keine (oder wenig) Filter.

Diese Formulierung fände ich so auch erstmal in Ordnung.
Zitat:
Ich glaube, dass fokussierte Wahrnehmung bewusster ist und darum der Trieb ausgeblendet wird, denn das kann ich nicht auch noch nebenher bewältigen.

Passt zumindest zu dem was diverse autistische Regionsgründer lehrten, um ihr nichtautistisches Umfeld zu zivilisieren, wie etwa zum Rat zu "meditieren" um ein höheres (autistischeres) Bewußtsein zu erlangen.

Lasse mir das nochmal mehr in Ruhe durch den Kopf gehen.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
15.03.13, 12:46:55
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eraser
(Autistenbereich)

@55555:
Ich verstehe schon, was du eigentlich meinst, aber ich habe mittlerweile eine Art Entwicklung durchlaufen, an deren Ende ich zu dem Schluss kam, dass ich die sprachpolizeilichen Bestrebungen dieser und anderer Communities nur noch bis zu einem gewissen Punkt mit mache.
Ich akzeptiere Selbstbezeichnungen und setze medizinische Vokabeln in Anführungszeichen (oder ersetze sie, falls eine nichtpathologisierende Bezeichnung verfügbar ist).

Autisten haben natürlich Defizite. Nicht-Autisten haben auch Defizite. Jeder Mensch hat Defizite. Frau Merkel hat zu dünnes Haar. Brad Pit hat eine zu kleine Nase. Till Schweiger hat eine nölige Fiepsstimme. Jennifer Lopez hat vielleicht Dyskalkulie, wir wissen es nicht.

Mir ist klar, dass man den "Kern von Autismus", den wir gerade suchen, vielleicht etwas etwas positiver beschreiben könnte als ausgerechnet als "Fehlen von Fähigkeit XYZ", wenn man damit an die NA- Öffentlichkeit will. Aber darüber mache ich mir später einen Kopp, zumal wir ja derzeit nur mutmaßen, dass das vielleicht der Kern sein könnte.

Grüße & schönes Wochenende!
15.03.13, 15:49:17
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat:
Ich glaube, dass fokussierte Wahrnehmung bewusster ist und darum der Trieb ausgeblendet wird, denn das kann ich nicht auch noch nebenher bewältigen.

Ich denke der Begriff "fokussiert" gefällt mir nicht in diesem Zusammenhang. Wenn der Trieb lediglich durch die intensive Wahrnehmung verdrängt würde, müßte er ja in längerfristig entspannten Lebenssituationen auftauchen? Da würde ich im Rahmen dieses Ansatzes davon ausgehen, daß es eine Einheit aus "Filtern" und Trieben gibt, die Autisten eben nicht so aufweisen, weil sie weniger grundpsychotische Eigenschaften in sich tragen.
Zitat:
In einem sozialen Kontext, wenn z.B. fünfzehn Leute auf einer Party irgendwie irgendwas mit ihren Gesichtern machen, fühle ich mich schon ziemlich fish out of water.

Das sehe ich eher als "veranlagungskulturellen" Unterschied. Wenn das mit der Fokussierung so stimmen würde, müßte sich dann ein Autist nicht einfach darauf fokussieren können? Warum nicht auf sowas aber auf "Alles" bei diesem Film mit Frau, bei dem die NA wohl halt nicht schaffen wirklich konzentriert zu schauen, weil ihre Triebe mit ihnen abgehen und sie Gesehenes halb im Traum weiterspinnen? Ist ein "Wahrnehmungsfilter" überhaupt etwas anders als ein "Trieb"?
Zitat:
Nein, denn die Fokussierung ist in gewisser Weise eine Reaktion auf die Filterlosigkeit.

Ich würde es vielleicht eher als "Bewußtheit" bezeichnen?
Zitat:
Weil das kein Mensch aushält, 20.000 Sinneseindrücke in der Sekunde, muss man selbstkonstruierte Filter bewusst setzen.

Du findest das demnach also nicht entspannend?
Zitat:
Ich betrachte ja nur eine Bildfolge, nicht zwei parallele Bildfolgen.

Wo wir wieder bei der Frage wären, was ein "Task" eigentlich sein soll.
Zitat:
Ich verstehe schon, was du eigentlich meinst

Tatsächlich? Was meine ich denn?
Zitat:
, aber ich habe mittlerweile eine Art Entwicklung durchlaufen, an deren Ende ich zu dem Schluss kam, dass ich die sprachpolizeilichen Bestrebungen dieser und anderer Communities nur noch bis zu einem gewissen Punkt mit mache.

Na, dann können wir den Neger ja auch Neger sein lassen.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
15.03.13, 17:31:23
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eraser
(Autistenbereich)

geändert von: eraser - 15.03.13, 20:19:40

Zitat von 55555:

Ich denke der Begriff "fokussiert" gefällt mir nicht in diesem Zusammenhang.

Ich habe keinen besseren. Manche sprechen auch vom Tunnelblick, da mag ich Fokus lieber.

Zitat:
Wenn der Trieb lediglich durch die intensive Wahrnehmung verdrängt würde, müßte er ja in längerfristig entspannten Lebenssituationen auftauchen?

Das ist bei mir der Fall. Zum Beispiel liege ich entspannt am Strand und sehe einen Menschen, den ich attraktiv finde. Oder ich bemerke, dass ich hungrig bin. Vorher war ich in einem stressigen Großraumbüro, umringt von hundert attraktiven Personen und Schokoriegeln, ohne dass ich meinen Trieb spürte.

Ich trenne meine Triebe auch in wichtige und nebensächliche.
Ich verspüre manchmal den dringenden Trieb, meine Blase zu entleeren, das und die Ernährung sind in meinem Ranking wesentlich wichtiger als zum Beispiel der Sexualtrieb.
Triebe, die nicht unmittelbar meinem Überleben und Funktionieren dienen, sind sekundär. Mein Sexualtrieb in der richtigen Situation ist auch sekundär. Vielleicht entscheide ich mich, dass ich lieber ein Sudoku lösen will. Ich entscheide, ob der Trieb ausgelebt wird oder nicht.
Nicht pinkeln oder nicht essen führt zu Schmerzen, keinen Sex haben belastet mich überhaupt nicht.

Zitat:
Da würde ich im Rahmen dieses Ansatzes davon ausgehen, daß es eine Einheit aus "Filtern" und Trieben gibt, die Autisten eben nicht so aufweisen, weil sie weniger grundpsychotische Eigenschaften in sich tragen.

Wieder kann ich nur von mir sprechen. Ich habe Triebe, stellen wir sie uns mal als blinkende Lämpchen vor. Eins für Kühlwasser, eins für Nahrung, eins für Blase entleeren, Darm entleeren, schlafen, Sex haben. Blinkt eins auf, wenn ich gerade konzentriert irgendwas anderes mache, rückt es vielleicht gar nicht in mein Bewusstsein. Es beginnt dann heftiger zu blinken und ich schaue mal nach: Ach, das Hungerlämpchen. Kann ich ignorieren, denn in zwei Stunden treffe ich meinen neuen Schwarm beim Mexikaner. Oder: Oh, das Pinkellämpchen blinkt sehr dringend, dann gehe ich mal das verbrauchte Kühlwasser ablassen und ersetzen.

Ich tue diese Dinge bewusst, ich denke darüber kurz nach. Ich kaufe mir nicht unbedingt eine Cola, nur weil ich eine gesehen habe, denn ich habe sie bewusst im Zusammenhang "Werbung" wahrgenommen.
Die Filter setze ich auch bewusst. Die Küchenuhr tickt zu laut, also versenke ich mich so lange in ein anderes Geräusch, bis das Geräusch der Uhr weg ist. Das geht tatsächlich. Es ist allerdings anstrengend und erfordert Training, bestimmte Reize auszublenden und andere durchzulassen.

Zitat:
Zitat:
In einem sozialen Kontext ... fühle ich mich schon ziemlich fish out of water.

Das sehe ich eher als "veranlagungskulturellen" Unterschied. Wenn das mit der Fokussierung so stimmen würde, müßte sich dann ein Autist nicht einfach darauf fokussieren können? Warum nicht auf sowas aber auf "Alles" bei diesem Film mit Frau, bei dem die NA wohl halt nicht schaffen wirklich konzentriert zu schauen, weil ihre Triebe mit ihnen abgehen und sie Gesehenes halb im Traum weiterspinnen? Ist ein "Wahrnehmungsfilter" überhaupt etwas anders als ein "Trieb"?

Ich könnte mich darauf fokussieren, die Gesichter zu deuten, wenn alle 15 Menschen auf einem Bildschirm wären und langsam nacheinander ihre Grimassen ziehen. Keine Musik, keine Gespräche, nichts das ablenkt.
Ich habe dann ein Ereignisfeld Bildschirm, dessen Größe überschaubar ist.
Das Ereignisfeld "Party" ist dreidimensional, akkustisch, optisch, haptisch und ich kann es nicht mehr bewältigen, ab einem bestimmten Tempo und einer bestimmten Größe.

Ein Filter und ein Trieb sind für mich sehr verschiedene Dinge. Triebe sind die Bedürfnisse meines "inneren Schimpansen", also die des Tieres, für das ich als oberste Kontrollinstanz oder "Herrchen/ Frauchen" verantwortlich bin und Filter sind antrainierte Strategien, um bestimmte Reize ausblenden zu können, die in meinem inneren Schimpansen sonst den Flucht-Trieb auslösen würden.

Zitat:
Zitat:
Nein, denn die Fokussierung ist in gewisser Weise eine Reaktion auf die Filterlosigkeit.

Ich würde es vielleicht eher als "Bewußtheit" bezeichnen?

Bewusste Wahrnehmung trifft es vielleicht. Ich wähle ja aus, was ich bewusst wahrnehmen will, der unbewusste Bereich ist bei mir auch halb bewusst. Ich nehme das "Gefilterte" schon als eine Art Grundrauschen wahr. Die Autos, die vorüber fahren.
Ich höre die natürlich, achte aber nicht darauf, versuche sie auszublenden, blende sie schließlich aus. Mein Fokus ist dann voll und ganz auf "lesen". Nicht auf "hören".
Wenn ich diesen Filter nicht hochfahre oder es nicht schaffe, weil die Autos einfach zu laut sind, dann nehme ich wahr, dass der Wagen eines Bekannten vor dem Haus hält und wenn ich es geschafft habe, mich ganz in meine Welt zu versenken, dann höre ich es zwar auch, aber ich interpretiere es nicht. Ich nehme wahr, aber ordne den Sinn nicht zu. Dann klingelt es an der Tür, ich schrecke auf und weiß, dass ich 30 Sekunden davor den Wagen gehört habe, ohne dem aber eine Bedeutung zuzuordnen, weil ich ja gerade visuellen Zeichen Bedeutungen zuordnen musste.
So in etwa.

Zitat:
Zitat:
Weil das kein Mensch aushält, 20.000 Sinneseindrücke in der Sekunde ...

Du findest das demnach also nicht entspannend?

Filter setzen erfolgt nicht automatisch, sondern ist anstrengend. Ist der Filter dann einmal konstruiert und ich bin auf eine bestimmte Aufgabe konzentriert, ist die Dekonstruktion des Filters auch wieder anstrengend oder besser nervig.
Wenn niemand was von mir will, finde ich es sehr angenehm, von 20K Sinneseindrücken berieselt zu werden, allerdings nicht, wenn zu viel Neues dabei ist.
Einsam am Strand sitzen und Filter runter fahren ist OK.

Zitat:
Wo wir wieder bei der Frage wären, was ein "Task" eigentlich sein soll.

Ich würde es definieren als eine Aufgabe in einem Ereignisfeld unter 2 Prämissen:
1. Das Feld muss klein genug sein, damit ich allen Ereignissen darin schnell genug einen Sinn zuordnen kann und regieren kann und
2. Es darf nur ein "Programm" benutzt werden.
Wie beim Beispiel mit dem Fahrrad kann ich 2 Tasks dort haben, wo andere nur einen haben und umgekehrt. Ein Task ist individuell verschieden.
Wie auch schon sagte, kann der Task "treten" parallel laufen, wenn der andere Task nicht "klatschen" ist, sondern "denken".

Zitat:
Zitat:
Ich verstehe schon, was du eigentlich meinst

Tatsächlich? Was meine ich denn?

Dass die Wortwahl eine gewisse Rolle spielt bei der Kommunikation und bei der Konstruktion bestimmter Vorstellungen von irgendwas.

Zitat:
Na, dann können wir den Neger ja auch Neger sein lassen.

Nein, das ist nicht die aktuelle Selbstbezeichnung der Community.
Und wenn jemand schreibt "Ich bin leider schwarz" statt "Ich werde leider diskriminiert", ist es nicht dasselbe wie "Neger". Und die Aussage "Schwarze haben ein Defizit an glatten Haaren" ist keine Pathologisierung. Außerdem strengt es mich an, in die Sprachwissenschaft zu wechseln, wenn ich gerade über Gehirne nachdenke. Und diese Debatte habe ich schon zu oft und zu ausführlich und über zu viele Jahre geführt, als dass sie mir noch Freude bereiten könnte.
15.03.13, 19:55:31
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Gemeinsamkeiten von "Sinnesreizdeutungsautomatismen" und Trieben liegen für mich darin, daß beide Verhalten des Menschen bestimmen, ihn darin gewissermaßen auch unfrei machen. Die Triebe, die du oben aufzählst sind solche, an die ich gar nicht so vordergründig dachte. Aber es ist auch in gewisser Weise logisch, daß ein Autist an die Triebe denkt, die er eben doch kennt und nicht an die, die er nicht kennt.

Klassische Triebmodelle sind ja recht überholt wie auch der Behaviourismus, der in allem Konditionierung sehen will und dazu neigt nicht nach inneren Gründen zu schauen. Tatsächlich finden sich in diesem Bereich wohl eher in der Art eine wilden Sammelsuriums irgendwelche Impulszusammenhänge, die Menschen dazu bringen irgendwas in gewissen Schienen zu tun. Nicht nur zu tun, sondern irgendwas in bestimmter Weise wahrzunehmen. Das hängt mal so und mal so zusammen.

Mechanistische, technisierende Beschreibungen in Bezug auf Lebewesen lehne ich mittlerweile recht grundlegend ab. Das tue ich, weil ich meine ziemlich klar erkannt zu haben in welchem Ausmaß gewisse Weltbilder für massives Unheil grundlegend sind. Ihre Denkmuster machen bestimmten Unheil überhaupt erst möglich und durchführbar. Das ist auch der Grund, weswegen ich es ablehne im Bereich der Biologie von "Defekten", "Fehlern", "fehlen", etc. zu schreiben oder das kritiklos hinzunehmen. Diese Begriffe betrachte ich als Gewaltakt. Wer soetwas fabriziert, weil er sich nicht darauf konzentriert muß grundlegende Dinge noch nicht verstanden haben, sonst würde er soetwas nie wieder schreiben. Ein Eigenname wie "Neger" hingegen, der sprachlich nicht letztlich zwingend für eine bestimmte Denkweise steht, sondern nur irgendwie assoziiert wird fällt für mich in eine unbedenklichere Kategorie.

Die Triebe an die ich dachte waren solche wie die in Richtung Rudelempfinden.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
15.03.13, 20:51:37
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