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Thema: Nils Bollenbach, Bundestagskandidat der Grünen, therapierter Autist (http://autismus.ra.unen.de/topic.php?id=8444)


Geschrieben von: 55555 am: 04.05.21, 00:55:49
Weiß jemand mehr, etwa ob es darauf hinausläuft, daß er irgendwelche fragwürdigen Therapien promoten würde? Aber es ist ja absehbar, daß irgendwann mehr Autisten auftauchen werden, die z.B. vielleicht ABA ihre "Lebensfähigkeit" zuschreiben.
Zitat:
Vor Kurzem outete sich der Grünenpolitiker Nils Bollenbach als Autist. Jetzt will er in den Bundestag. Er findet, Menschen wie er sind dort nicht ausreichend vertreten.

[...]

Nils Bollenbach: Bedingt durch meinen Autismus esse ich ganz viele Sachen nicht. Ich esse zum Beispiel überhaupt kein Gemüse. Logisch begründen kann ich das nicht. Es ist einfach so. Bestimmte Lebensmittel fühlen sich für mich an wie Fremdkörper. Viele Autist*innen berichten über Besonderheiten beim Essen. Ich kenne Autist*innen, die nur Erdbeerjoghurt essen und die auch nur den Erdbeerjoghurt einer bestimmten Marke essen. Damals beim Weihnachtsessen gab es verschiedene Menüs zur Auswahl. Ich habe dann das Menü ausgewählt, das die meisten Lebensmittel beinhaltete, die ich normalerweise auch esse. Und trotzdem musste ich noch ganz viele Sachen abbestellen. Ich musste zum Beispiel die Ente und den Rotkohl abbestellen. Am Ende hatte ich dann als Einziger einen Teller, auf dem nur so ein Kloß drauf war. Da wurde ich natürlich angeguckt und gefragt, warum ich nicht alles essen würde, und musste mich irgendwie erklären. Das war sehr unangenehm. Damals hatte ich meinen Autismus auch noch nicht öffentlich gemacht. Meine Behinderung habe ich erst letztes Jahr bekannt gemacht, im Rahmen meiner Bewerbung für die Landesliste.

ze.tt: Warum erst dann?

Nils Bollenbach: Weil ich mich lange Zeit davor fürchtete, stigmatisiert und unterschätzt zu werden. Das Bild, das bis dahin von autistischen Menschen in den Medien gezeigt wurde, war einfach keines, mit dem ich mich identifizieren konnte. Da gab es einerseits Autist*innen mit einer Inselbegabung. Die habe ich nicht. Und andererseits wurden Menschen gezeigt, die wirklich überhaupt nicht in der Lage waren, mit anderen in Kontakt zu treten. Und das ist bei mir auch nicht der Fall. Klar: Ich habe Schwierigkeiten damit und für mich ist das eine größere Überwindung als für Nicht-Autist*innen. Aber mithilfe meiner Autismus-Therapie habe ich Strategien entwickelt, soziale Situationen gut und souverän hinzubekommen. Auch meine politische Arbeit hat mir dabei geholfen, damit umzugehen. Im Kontakt mit den Wähler*innen lerne ich unglaublich viel. Wenn ich am Stand auf dem Markt stehe, fällt es mir schwer, die Leute anzusprechen. Aber ich wünsche mir ja, dass die Menschen mich wählen. Deswegen habe ich auch den Ehrgeiz, es trotzdem immer und immer wieder zu üben und ich werde von Mal zu Mal besser. Inzwischen merkt man mir meinen Autismus kaum noch an.

Quelle