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Geschrieben von: 55555 am: 21.12.16, 13:23:58
Zitat:
Unsereins müsste sich viel mehr Sorgen machen, statt im Glanze des Daseins wie eine Christbaumkugel zu funkeln. Wir sind alle gleich zerbrechlich, wenn wir fallen, aber manche wissen genau, wie das ist, und haben Angst. Panische Angst. Angst, die Post zu öffnen, bei unbekannten Nummern ans Telefon zu gehen, Angst vor dem Morgen und dem, was sein wird, wenn sie einmal alt sind. Mir verdirbt die Ansicht von Rentnern, die Flaschen sammeln, den Tag, weil dieser Staat sie so verächtlich behandelt und Milliarden für eine gescheiterte Banken- und Migrationspolitik verpulvert. Es sollte so nicht sein. So geht man mit alten Menschen nicht um. Für viele andere ist es etwas, das ihnen tatsächlich droht. So ein Dasein als flatterhafter Ausprobierer muss man sich wirklich leisten können: Ich kann das. Bei den anderen kommt das dicke Ende, wenn sie von anderen flatterhaften Ausprobierern verdrängt werden. Meine Augen tränen vom herab fallenden Glitzer der Kugeln. Die Augen der anderen sind dauernd voller Verzweiflung.

Verlässt man die eigenen Viertel und lernt man solche Menschen kennen, sollte man besser vorsichtig sein, und die eigene Zuversicht mit Tarnsorgen überdecken. Meine Erfahrung ist, dass sehr viele Menschen mit notorischen Ängsten enorme Probleme mit jenen haben, die kein Wässerchen trüben können. Das mündet oft in Aggressionen, und solche hols-der-Teufel-Kugelorgien würde ich wirklich nur machen, wenn ich genau weiss, die Partner sind das gewöhnt und können damit umgehen. Ansonsten vertuscht man die grenzenlose Zuversicht und die Überzeugung der eigenen Vorbestimmtheit für das bessere Dasein, oder man riskiert eben, dass andere nicht das emotionale Instrumentarium haben, damit umzugehen. “Normale” Menschen verstehen nicht, was andere depressiv macht, und genauso denken sie, dass in meinen Kreisen irgendwo ein ganz dicker Haken sein müsste. Den dicken Haken, glauben sie, gibt es doch immer. Und dann gibt es doch nur einen Haken für die Samtbänder der roten Glitzerkugeln.

Das ist alles noch kein Schicksalsschlag, pflegte meine Grossmutter bei den kleinen, unvermeidlichen Haken des Daseins zu sagen, und ich plappere das gedankenlos nach. Es gibt welche, die das einsehen, und welche, deren Probleme und Ängste ich damit falsch einschätze – die explodieren dann. Die ertragen das nicht, für die bin ich und diese ganze Haltung eine Herausforderung, eine Zumutung, eine Verhöhnung, und erstaunlicherweise gar kein gut gelauntes Geschenk Gottes. Wir sind nach Schicksalsschlägen schneller wieder obenauf, kleine Niederlagen sind uns egal, wir segeln über die Riffe frohgemut hinweg und glauben, auch mit einem Leck noch in den Hafen zu gelangen. Alle in meiner Familie sind sicher, dass die mit dem leeren Tank noch 200 Kilometer weit kommen, nur ganz selten bleiben wir liegen, und dann ist in der Nähe meist ein Schloss oder ein schönes Gasthaus, und die Landschaft ist prächtig.

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