Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 

Rotes Tuch"Beziehung"

original Thema anzeigen

 
28.07.10, 11:24:10

sesostris

Ich habe ein Anliegen und weiss nicht weiter.
Ich habe meine über 3-jährige Beziehung beendet.Es war eher eine Achterbahn mit vielen Loopings.
Es war eher so, das ich mich stets erklären und rechtfertigen musste. Bislang konnte ich meine "Runterfahr"-Strategien unauffällig anwenden. Da sich meine Struktur im erheblichen Maße verändert hat, vermag ich diese Strategien nicht mehr zu verstecken.
Bei überfordernden Situationen laufe ich in den Kästchen am Boden oder laufe den Verläufen der Linien entlang.
Mein Partner wurde wütend und war beleidigt (das sagte er mir) und akzeptierte meine Erklärung nicht.
Jedesmal wurde er wütend, weil ich ihn kaum ansah bzw. gar nicht (je nach Situation). Ihm sei es sehr wichtig, das ihn jemand ensieht, während man sich mit ihm unterhält.
Zum Weiteren konnte er nicht verstehen, dass ich nicht in Konzerte wollte,Märkte, Groß-Veranstsltungen, Kino u.s.w...
Es machte mich traurig, dass das nicht akzeptiert wurde.
Ich bin jemand, der gerne die Stille mag, die Natur, Gegenstände berühren (z.B.gestein, Eisen, Pflanzen- jedoch verschiedene Textil-Arten nicht).
Er sagt mir ständig, wie sehr er mich liebt, wie traurig und verletzt er ist u.s.w...
Es löst in mir nichts aus. Es löst in mir kein Gefühl aus.
Das beängstigt mich- weil gesagt wurde, das ist nicht normal. Ich kann doch nichts dafür.
Wieder bekomme ich vermittelt, dass ich nicht normal bin-nicht so, wie andere.
Ich vermisse nichts, was ich zuvor in der Beziehung hatte und kann mir auch nicht vorstellen, dass ich solch eine Art von Beziehung jemals wieder haben möchte.
Ich weiß nicht, ob ich es verständlich vermitteln konnte.

Ich habe den Boden unter den Füßen verloren-
meine gewohnte Struktur hat sich so enorm verändert, das ich mich außer Stande sehe, eine übergangslose Linie wieder herzustellen.
28.07.10, 12:31:41

HundundKatz

"Da sich meine Struktur im erheblichen Maße verändert hat, vermag ich diese Strategien nicht mehr zu verstecken"

Inwiefern hat sich deine Struktur geändert. Meinst du wegen des Beziehungsende ?

"Jedesmal wurde er wütend, weil ich ihn kaum ansah bzw. gar nicht (je nach Situation). Ihm sei es sehr wichtig, das ihn jemand ensieht, während man sich mit ihm unterhält.
Zum Weiteren konnte er nicht verstehen, dass ich nicht in Konzerte wollte,Märkte, Groß-Veranstsltungen, Kino u.s.w..."

Ich kenne das in umgekehrter Weise von meinem Partner, der sich dann auch von mir getrennt hat. Es ist einfach verzwickt. Ich konnte auch nichts verstehen und war verzweifelt. Und ich liebe ihn. Es ist so, dass man sich erst mal gar nicht vorstellen kann, dass es eine
so andere Welt gibt. Man sieht mit den eigenen Augen, mit dem eignen Verständnis so wie man es erst mal kennt und für "normal" hält. Das Verhalten des Partners bezieht man auf sich selber, ....er liebt mich nicht..... Da kommen dann Ängste hoch, Ängste vor einer Trennung,
die dann auch noch eintrifft.

"Das beängstigt mich- weil gesagt wurde, das ist nicht normal. Ich kann doch nichts dafür. Wieder bekomme ich vermittelt, dass ich nicht normal bin-nicht so, wie andere."

Wenn mein Freund zu mir gesagt hätte. Ich bin Autist. Ich brauche meinen Rückzug, um zu mir zu kommen. Ich kann dir nicht in Augen sehen, weil es mir nichts bedeutet und mich
von meiner Konzentration ablenkt. Wenn ich nicht so sein kann, wie ich es brauche, muss ich die Beziehung beenden..... DANN hätte ich die Chance gehabt anders zu reagieren, wieder innerlich zur Ruhe zu kommen, mich zu informieren und ihm das was er braucht zu lassen.
Du kannst nichts dafür, er kann nichts dafür !

"Ich vermisse nichts, was ich zuvor in der Beziehung hatte und kann mir auch nicht vorstellen, dass ich solch eine Art von Beziehung jemals wieder haben möchte."

Du vermisst vielleicht nichts, weil es in der Form nur anstrengend für dich war, "leider".
Aus meiner Sicht, hilft Klarheit auch zur Veränderung. Und wenn dein Freund die Klarheit gehabt hätte, hätte er anders agieren können und ihr hättet vielleicht eine wunderbare Beziehung geführt. Es liegt an den Umständen und nicht an den Menschen.

"Ich habe den Boden unter den Füßen verloren"

Ich kann das nur aus meiner Sicht sagen aus NT Sicht. Ich habe durch die Trennung auch den Boden unter den Füßen verloren. Es ist ein wenig wie Sterben.
Es äußert sich natürlich anders als bei dir. Ich glaube bei dir ist es die Struktur, aber vielleicht wird sich eine neue Struktur bilden.

Für mich ist es sehr schwer nach zu vollziehen, dass scheinbar der Partner in keiner Weise vermisst wird oder an ihn gedacht wird (?). Ich denke täglich an ihn. Auch wenn wie du beschreibst, es eine Achterbahn war.

So wie ich versuche euch so anzunehmen wie ihr seid, zu verstehen, zu hinter fragen, sachlich zu bleiben. Ich freue mich auf eure Beiträge und lerne täglich dazu. So würde
ich mir manchmal wünschen ihr würdet unsere emotionale Seite versuchen zu verstehen.
Du schreibst:
" Es macht mich traurig, dass das nicht akzeptiert wurde."
Genau so hat er sich, mit großer Wahrscheinlichkeit, nicht akzeptiert gefühlt. Nur mit gegenseitigem Verständnis, viel Geduld miteinander kommunizieren (auch über
Mails oder Briefe) ist ein Miteinander möglich. Doch ich hab das Gefühl das Partnerschaften hier keinen großen Stellenwert haben im Gegensatz zu Eltern-Kind Beziehungen.
(Ich möchte das hier nicht bewerten und ich weiß, dass hierauf einige Anmerkungen von euch kommen werden.) Was alles versucht wird, um ein autistisches Kind zu unterstützen, finde ich bewundernswert, einzigartig. Warum ist einem der Partner nicht so viel wert.
Diese Frage lässt mich einfach nicht los. Bitte verzeiht mir, wenn ich etwas falsch formuliert habe. Ihr kennt mich ja schon eine Weile. Und ich glaube ich schwer abgeschweift.


28.07.10, 13:07:21

anne1

Hallo, Sesostris,
ich verstehe nicht, wieso Dein Partner nicht akzeptiert hat, daß sein Hobby Konzerte und Großveranstaltungen sind,
und Dein Hobby Waldspaziergänge und Bergwanderungen.

Wenn ich einen Partner hätte, der zb versuchen würde, mich zu zwingen, die Weltmeisterschaft in Kneipen und Public-Viewings komplett live mitzuerleben,
würde ich einmal mitgehen und rumnölen, ein zweites Mal mitgehen und einen Platzangst-Anfall erleiden und beim dritten Mal wäre Schluß. ICH würde die große Rumheul-"Du bist so rücksichtslos-Du liebst mich nicht mehr"-Nummer abziehen, und er würde einlenken, oder die Beziehung wäre beendet von meiner Seite.

Aber manche Leute sind in der Hinsicht einfach sehr kindlich, vgl den Drehstuhl-Thread.
viele Grüße, anne
28.07.10, 13:08:44

Hans

Das gibt es auch anders herum, bei mir war die Freundin NA
und ich mußte oft hören, warum ich etwas nicht wie tausend Andere mache.
Sie hat, so wie viele Frauen, wohl geglaubt, daß sie da noch etwas an mir "fertigerziehen" muß was meine Mutter noch versäumt hat.
Sie hat einen Teil meiner autistisch geprägten Eigenschaften durchaus positiv gesehen,
daß ich nicht zum Wirt gehe, sondern bei ihr bleibe und alles aus diskutiere,
daß ich zuverlässig alles Zugesagte auch erledige usw.
Aber daß ich meinen Geburtstag lieber alleine feiern möchte,
hat sie dann als Egoistisch bezeichnet.
Dabei wollte ich nur einmal einen weitgehend stresslosen Tag erleben.
Da habe ich noch schnell vor meinem nächsten Geburtstag die Beziehung beendet,
damit ich dann wieder alleine "feiern" konnte.
Wir wussten beide nichts über Autismus, das hätte mir vielleicht etwas geholfen,
zumindestens zu verstehen.
Lieber keine Beziehung als die "Falsche".
Bei der Bundeswehr war ich freier, da gab es um vier Dienstschluß,
so eine Beziehung ist wie vierundzwanzig Stunden Dienst, ohne Pause.
28.07.10, 14:41:24

sesostris

Ich danke Euch für eure Beiträge- es offenbart verschiedene Perspektiven. Mit veränderter Struktur, meinte ich nicht die Beendigung der Beziehung. Es hat sich-vieles verändert(job, krankheit u.s.w.)Zu viel.Ich hatte und habe ein Problem mit Berührungen (manchesmal in sehr guten Zeiten ist es nicht unmöglich-jedoch nicht der Regelfall).Ich kann nichts damit anfangen, jemanden in den Arm nehmen (egal ob zur Begrüßung,Verabschiedung, als "nette Geste"). Für mich löst es andernfalls ein Unwohlsein aus-ein "ich-mag-es-nicht". Ebenso die Hand reichen oder ein Wie gehts Dir (wobei ich versuche,das mehr einzusetzen-den Sinn darin versteh ich dennoch nicht-es ist für mich eher eine Höflichkeitsfloskel-wie alles andere an Höflichkeiten, wo ich mich außer Stande, diese authentisch zu vermitteln). Es kommt allenfalls als herablassend und arrogant rüber, weil ich die Mimik und die Gestikulierung nicht umsetzen kann). Schwer zu vermitteln, was ich meine.
Ich versuche zu verstehen, wie andere fühlen könnten- aber es klappt nicht:(
Ich habe noch zwei Kinder,auf die ich stolz bin-ich denke,dass fühlt sich so an)
Sie sind sehr eigenwillig und haben, so wie ich, ihre eigene Wahrnehmung, ihre eigene Welt.
Mein ehemaliger Partner konnte viele Handlungen von Ihnen nicht verstehen und entschuldigen.
Ich hingegen kann es nachvollziehen. Sie können wenig mit Emphatie anfangen. Für Sie ist es sehr schwierig, in unserer"Gesellschaft" Fuß zu fassen. Denn alles, was sie tun, wird als rücksichtslos, unhöflich und böswillig abgetan-was es in keinster Weise ist.
Sie sehen mich mit großen Augen fragend an und ich kann Ihnen nur sagen...es ist O.K., es liegt nicht an Euch. Es liegt daran, dass wir viele Dinge anders sehen.Also- ich versuche Ihnen zu vermitteln, dass Sie zwar anders, jedoch auch besonders sind.

Ich habe, wie zuvor Hans schrieb, lieber keine Beziehung.
Wenn mich keiner verstehen will oder kann-ich will mich nicht immer erklären müssen. Es reicht, dass ich mich "DRAUßEN" erklären müßte.
Aber dann auch noch in einer Beziehung.

Wie bereits erwähnt, ich danke euch für eure Beiträge!!!
28.07.10, 14:52:07

haggard

@anne1:
was meinst du mit kindlich (vgl. drehstuhl-thread)?
28.07.10, 17:21:29

anne1

Wenn jemand nicht verstehen kann, daß ein anderer andere Dinge schön und interessant findet als er selbst.
Dann könnte ein Grund dafür sein, daß der Jemand noch sehr kindlich ist.
Gruß, anne
29.07.10, 05:37:50

drvaust

Anne1, ich verstehe Deine Aussage nicht. Was meinst Du damit?
Kinder sind sehr offen für neue Erkenntnisse, weil sie vieles noch nicht verstehen.
Kindlich ist für mich eine positive Eigenschaft, wenn es in Grenzen bleibt.
Ich hatte Deine Aussage erst entgegengesetzt verstanden.

Sesostris, habt Ihr mal direkt darüber gesprochen, wie und warum Ihr so seid?
Kann Dein Partner nicht verstehen, weiß er es nicht besser oder will er nicht verstehen?
Du schreibst "dass ich nicht normal bin - nicht so, wie andere" als wäre das negativ.

29.07.10, 08:08:29

sesostris

@ drvaust-ich habe versucht, ihm das zu erklären. Das es nicht böswillig ist und das ich die Schwierigkeiten nicht erst seit gestern habe. Er beharrte jedoch darauf - er meinte, er könnte es nicht nachvollziehen. so wäre er nicht gewillt einen Dialog zu führen.
Ihm sei es sehr wichtig, dass sein Gegenüber ihn z.B. in die Augen sieht.Und bzgl. der Nähe, bzw. des Körperkontaktes könnte er so keinen Umgang finden.

Ich habe mein Leben lang vermittelt bzw. gesagt bekommen, du bist nicht normal, du machst immer nur alles falsch und ich wäre "ein schwarzes Schaf". Solche Worte prägen-und weil es so viele sagten, ging ich davon aus, das muss ja dann stimmen.
Das ich keinen Freundes oder Bekannten-Kreis habe, scheint es naheliegend, das dem so ist- und ich kann daran nichts finden, was auf "etwas" Positivem hindeutet.
29.07.10, 10:07:45

55555

Zitat von sesostris:
so wäre er nicht gewillt einen Dialog zu führen.
Ihm sei es sehr wichtig, dass sein Gegenüber ihn z.B. in die Augen sieht.

Auf mich wirkt diese Schilderung nicht so, als sei er besonders an dir als Individuum interessiert gewesen.
29.07.10, 10:17:37

anne1

Hallo, sesostris,
ist Dein Partner der Vater Deiner Kinder?
Gruß, Anne
29.07.10, 10:20:48

sesostris

Nein-er ist nicht der Vater. Der eigentliche Vater verweigert den Kontakt!!!
 
 
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder