30.09.14, 00:07:58
55555
geändert von: 55555 - 30.09.14, 16:38:07
Das erklärt einiges an der Politik der Diakonie:
Zitat:
Zur Zeit Luthers wurden mit Behinderungen geborene Kinder Wechselbälger genannt, weil man sich ihre später ausgeprägte Behinderung damit erklärte, dass der Teufel das gesund geborene Kind heimlich gegen das behinderte Kind ausgewechselt habe. Luther übernahm diese Sicht und beschrieb Behinderte in seinen Reden und Schriften ausnahmslos als Teufelsgeschöpfe. Er folgte damit den Quellen, auf die er sich berief.[66]
Zwei Tischreden (Nr. 4513 und 5207) werden oft für Luthers Haltung zu Behinderten zitiert: Darin beschrieb er den Fall eines geistig schwer behinderten Kindes, zu dem zwei Fürsten seinen Rat als Autorität für Dämonologie eingeholt hatten. Er beschrieb das Kind als „Fleischmasse“, das keine Seele besitze. In ihm habe der Teufel den Platz der Seele eingenommen. Deshalb habe er den Fürsten geraten, es im Fluss zu ertränken. Als Fürst hätte er diese Tötung (lat. homicidium) durchgeführt, doch man habe nicht auf ihn gehört. Darum habe er dann zum Beten eines Vaterunsers für das Kind geraten. Auf Nachfrage befürwortete er die Taufe solcher „Wechselbälger“, da man ihnen die Behinderung nach der Geburt noch nicht ansehen könne. Damit setzte er implizit doch eine zu rettende Seele in ihnen voraus.
Diese Aussagen lassen sich nicht als Handlungsanweisung deuten, da Luther den beschriebenen Fall nur vom Hörensagen kannte und keine konsistente Haltung dazu einnahm. Dass seine Hörer das Töten Behinderter hinterfragten und die Fürsten Luthers Rat ablehnten, zeigt, dass diese Praxis damals unüblich war und blieb.[67] Luther war subjektiv überzeugt, dass er nicht die Tötung eines Menschen, sondern eines teuflischen Dämonen befürwortete.[68]
Gleichwohl rechtfertigte der NS-Gutachter Werner Catel 1940 die „Euthanasie“ genannte Ermordung von bis zu 16.000 missgebildeten Kindern mit Luthers Aussagen: Sie besäßen keine Persönlichkeit und Willensentscheidung. Ein Kriterium dafür gab er nicht an.[69] 1964 beriefen sich Werner Heyde und Hans Hefelmann, die am Massenmord der „Aktion T4“ beteiligt waren, erneut auf diese Aussagen Luthers.[70] Der Teufelsglaube ist jedoch mit der modernen Medizin unvereinbar und scheidet daher als Rechtfertigung aus. Auch gesellschaftliche Nützlichkeitserwägungen, die oft für Euthanasie geltend gemacht wurden und werden, hätte Luther nicht als Maßstab gelten lassen, da er als Theologe den Geboten Gottes verpflichtet war.[69]
Quelle
Zitat:
Ab dem 17. Jahrhundert interessierten sich die naturwissenschaftlich orientierten Universitätsgelehrten für das Phänomen der Wechselbälger, nachdem die Naturwissenschaft als eigenständige Disziplin aus der Philosophie ausgegliedert worden war. Ende des 18. Jahrhunderts ging die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Wechselbälgen zurück. An deren Stelle traten die Wolfskinder, die vom schwedischen Naturwissenschaftler Carl von Linné (1707–1778) einer besonderen Menschengattung namens Homo sapiens ferus zugeordnet wurden, und einige rätselhafte Kaspar-Hauser-Fälle. Sie teilten mit den Wechselbälgen gewisse Eigenschaften, die sie als gesellschaftliche Außenseiter charakterisierten: fehlendes Sprachvermögen, eine Form von Schwachsinn oder nur geringe Anteilnahme, ausdruckslose Augen und rastloser Blick, unkontrollierte Verhaltensweisen, tierische Essgewohnheiten und stereotype Bewegungen.
Quelle