24.12.14, 17:58:53
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Zitat:
Gerhard Polt: Wenn man heute Kommunikation sagt, dann meint man das Handy. Das Ganze hat aber auch eine wirtschaftliche Dimension. Früher saßen Leute unterschiedlichster sozialer Herkunft oft stundenlang im Wirtshaus und haben geredet, Witze erzählt oder Karten gespielt. Aber das geht heute nicht mehr, auch in München nicht, weil der Druck der Brauereien so groß und die Mieten so hoch sind, dass ein normaler Wirt nicht zuschauen kann, wenn die Leute wenig konsumieren. Er braucht zahlungskräftiges Publikum, das isst und dann schnell wieder geht. So wurde das Wirtshaus zur Gaststätte. Und für die, die sich das nicht leisten können, wurde die Wärmestube eingeführt. Ich habe da nichts dagegen, aber es hat halt schon einen sozialen Touch. Bei vielen führt das dazu, dass sie gleich in ihrer Einzimmerwohnung bleiben und dort alleine ihre Biere trinken.
FAZ: Da also sind die Originale abgeblieben?
Polt: Die sind heute im Heim und werden gewindelt. Die gesamte Gesellschaft wird ja immer abgerundeter und aufgeräumter. Vieles ist verschwunden. Es gibt zwar Dokumentationen und Archive, aber den Duft und den Dunst von Dingen, den kannst du nicht konservieren. Schwund gab es schon immer. Nur dass der Schwund heute weniger bemerkt wird.
Quelle
25.12.14, 03:18:50
Fundevogel
In meiner Jugend gab es Bars mit Tischen, auf denen Telefone zur Kontaktaufnahme für Tanzpartner standen (Ball der einsamen Herzen). Vielleicht lässt sich die Idee mit Handys wieder auffrischen?
Personal würde weniger gebraucht, weil man mit dem Handy Getränke direkt an der Theke bestellen könnte. Und die Kellnerin Zenzi könnte weiter einen tiefen Ausschnitt im Dirndl tragen oder ganz knappe Lederhös'chen wie die Kellnerinnen im Brauhaus Kloster Machern an der Mosel... damit es zu viel Dunst von Dingen käme.;)
25.12.14, 03:31:31
drvaust
Zitat:
... FAZ: Da also sind die Originale abgeblieben? Polt: Die sind heute im Heim und werden gewindelt. Die gesamte Gesellschaft wird ja immer abgerundeter und aufgeräumter. Vieles ist verschwunden. ...
Dieses 'aufgeräumt' trifft es. Alles schön ordentlich und normal, anderes (Andere) wird weggeräumt.
In der Werbung geht es zwar um Entfaltung der Persönlichkeit, aber nur, wenn man es sich leisten kann oder hinter verschlossener Türe. Wer von goldenen Tellern essen will (und bezahlt), bitteschön. Wer z.B. im Kaftan mit Turban und langem Bart auf die Straße geht, ist entweder Migrant (die stehen unter Schutz) oder gehört in eine geschlossene Anstalt.
25.12.14, 22:12:53
MadActress
Ja. Streamlining wird immer zentraler.