07.04.15, 16:43:11
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Seit einer Weile fragte ich mich beim Verfolgen der mal wieder ziemlich grottigen "Berichterstattung" in den Massenmedien darüber, worum es da denn nun eigentlich geht. Einen Hinweis fand ich bei den katarischen Experten für Homsexuellenrechte:
Zitat:
"Santorum is confusing this [debate] by asking whether a business should have to print hate speech," Stuart Gaffney, from Marriage Equality USA, told DC Dispatches. "No law requires businesses to provide that service."
Gaffney pointed to a ruling last week in which a Colorado state agency found in favour of a bakery that reportedly refused to decorate two cakes from a customer with Bible verses rejecting same-sex marriage.
Quelle
Also wurde dort lediglich wie vielfach üblich existierende Rechtsprechung in ein Gesetz verpackt? Nachdem sich bei der FAZ mal jemand die Mühe machte etwas zu recherchieren wirkt das Ergebnis wie eine Bestätigung der Vermutung. Was soll das alles dann? Ist das die Zukunft des Journalismus wegen immer mehr Stellenstreichungen irgendwelchen Lobbyisten nachzurennen, die selbst nicht so recht eine Ahnung haben, was eigentlich los ist und im Grunde keine Zeit mehr haben das irgendwie mal nennenswert selbst nachzurecherchieren?
Zitat:
In Indianapolis ist am Ostermontag das Endspiel in der amerikanischen Meisterschaft im College-Basketball ausgetragen worden. Die National Collegiate Athletic Association, die 89 Meistertitel vergibt und mit den Einnahmen aus dem Basketball mehr als vier Fünftel ihres Budgets bestreitet, hat ihren Sitz in der Hauptstadt des Bundesstaats Indiana. In der vergangenen Woche hat die Verbandsführung öffentlich mit dem Gedanken gespielt, das Turnier der letzten vier Mannschaften bis auf weiteres nicht mehr in Indianapolis abzuhalten. Der Grund für dieses Abwanderungsplanspiel ist ein Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit (Religious Freedom Restoration Act), das seit der Unterzeichnung durch Gouverneur Mike Pence am 26.März heftige Attacken in der nationalen Öffentlichkeit auf sich gezogen hat.
Die Gegner des Gesetzes behaupten, es legalisiere die Diskriminierung von Homosexuellen, indem es Geschäftsinhabern das Recht zuspreche, Kunden unter Berufung auf religiöse Skrupel abzuweisen. Dass diese Absicht nicht bestehe, wurde in einer Ergänzung des Gesetzes festgehalten, die am Gründonnerstag überstürzt beschlossen wurde. Nicht nur um das Geschäft mit dem Basketball musste Indiana fürchten. Auch andere Unternehmen drohten mit Boykottmaßnahmen, wie sie öffentliche Stellen in anderen Bundesstaaten schon ergriffen hatten. So untersagte der Bürgermeister von Seattle die Verwendung städtischer Mittel für Reisen nach Indiana. Eine analoge Verfügung traf der Gouverneur von Connecticut – obwohl sein Bundesstaat schon seit 22 Jahren ein solches Gesetz hat, wie es in Indiana jetzt verabschiedet worden ist. Diese Selbstgerechtigkeit ist typisch für die Empörung, die über Indiana wie über Arkansas hereingebrochen ist, wo der Gouverneur die Unterzeichnung eines gleichgelagerten Gesetzes einstweilen hinausgeschoben hat.
Die Vorstellung, der Inhaber einer Konditorei oder eines Fotoateliers könnte nicht gezwungen werden, den Auftrag eines schwulen Hochzeitspaars anzunehmen, ist den Funktionären des College-Sportverbands unerträglich.
[...]
In 37 der fünfzig amerikanischen Bundesstaaten, darunter Indiana, können Partner gleichen Geschlechts die Ehe eingehen. Es wird allgemein erwartet, dass der Oberste Gerichtshof im Juni auch die verbleibenden dreizehn Staaten verpflichten wird, die Homosexuellenehe einzuführen. Während Umfragen einen Umschwung der nationalen Stimmung zugunsten der Erweiterung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare ausweisen, deutet die Selbstverleugnung homosexueller Spitzensportler selbst im universitären Milieu auf das Fortbestehen hartnäckiger Vorurteile. Ist es in dieser Lage wirklich ein vordringliches Thema des Kampfes für Bürgerrechte, die Bestrafung von Einzelhändlern sicherzustellen, die auf Aufträge homosexueller Brautleute verzichten möchten? In Oregon soll ein Konditor ein Schmerzensgeld von 150.000 Dollar zahlen.
Conor Friedersdorf, ein liberaler Kommentator der Monatszeitschrift „The Atlantic“, hat den Furor, der die Skandalisierung solcher Einzelfälle befeuert, als Fanatismus von Neubekehrten charakterisiert. Er selbst, schreibt Friedersdorf, habe während seiner gesamten journalistischen Laufbahn die Homosexuellenehe immer befürwortet, lange Zeit zum Verdruss seiner Vorgesetzten. Der Konditor in Oregon verweigerte die Annahme der Tortenbestellung am 13.Januar 2013 – als auch Hillary Clinton, die wahrscheinliche nächste Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, die eingeschlechtliche Ehe noch ablehnte. Heute verbreitet Frau Clinton über Twitter: „Es ist traurig, dass dieses neue Gesetz in Indiana in Amerika möglich ist.“
[...]
Der Gesetzgeber in Indiana hat den Namen und die Regelung eines Bundesgesetzes von 1993 übernommen. Dieses wurde von den liberalen Demokraten Edward Kennedy und Charles Schumer in den Kongress eingebracht, im Senat mit 97 zu drei Stimmen angenommen und von Präsident Clinton unterzeichnet. Die Absicht der Restauration der Religionsfreiheit oder genauer gesagt des hergebrachten Verständnisses dieses Grundrechts war damals gegen den Obersten Gerichtshof gerichtet.
Das Gericht hatte entschieden, dass die Freiheit zur Ausübung der Religion keinen Anspruch auf Befreiung von den allgemeinen Gesetzen begründet. Andersherum gesagt: Ein Gesetz, das nichts Religiöses regeln will, sondern im Zuge der Regelung einer anderen Materie Einschränkungen für die Gläubigen einer bestimmten Religion mit sich bringt, verletzt die Religionsfreiheit nicht. Der Autor des Urteils war der erzkatholische Richter Antonin Scalia, der Verlierer ein Indianer, dessen Kirche den rituellen Konsum von Peyote vorschreibt. Auf dem Weg der einfachen Gesetzgebung stellte der Kongress sicher, was das Gericht aus der Verfassung nicht ableiten wollte: Eine empfindliche Belastung von Gläubigen muss durch ein zwingendes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden, das mit anderen Mitteln nicht erreicht werden kann.
Die Musiker und Komiker, die jetzt ihre Indiana-Tourneen abgesagt haben, hatten an den gleichgerichteten Gesetzen beziehungsweise Verfassungsbestimmungen, die es in mehr als dreißig Bundesstaaten gibt, keinen Anstoß genommen. Auch Interventionen der Apple-Konzernleitung unterblieben. Über das Bundesgesetz geht Indiana dadurch hinaus, dass die Glaubenspflichterfüllung auch in einem Rechtsstreit unter Privatleuten als Entschuldigung in Betracht kommen soll. Das sieht zwar nach einer Lex des Tortenbäckers aus, bedeutet gegenüber der bundesrechtlichen Lage aber nur eine Klarstellung: Die meisten Gerichte haben das Bundesgesetz ohnehin schon so ausgelegt.
Quelle
07.04.15, 23:45:36
PvdL
geändert von: PvdL - 07.04.15, 23:48:29
Wenn ich das richtig verstanden habe, wird
unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Einzelhändlern das Recht eingeräumt, Kunden abzuweisen, wenn deren Sexualität bzw. sexuelle Orientierung nicht ihren Vorstellungen entspricht. Wie genau die Sexualität bzw. sexuelle Orientierung einer Kundin oder eines Kunden im Einzelfalle identifiziert werden soll, ist mir völlig unklar, wenn ich ehrlich sein darf. Nur der Augenschein dürfte ja wohl kaum ein solches
Dienstleistungsverweigerungsrecht begründen. Oder doch? Jesus würde sich jedenfalls im Grabe umdrehen, wenn er nicht auferstanden wäre.
08.04.15, 00:08:24
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Wenn ich das richtig verstanden habe, wird unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Einzelhändlern das Recht eingeräumt, Kunden abzuweisen, wenn deren Sexualität bzw. sexuelle Orientierung nicht ihren Vorstellungen entspricht.
Im ersten Zitat ging es ja wohl darum, daß ein Bäcker sich weigerte im Kundenauftrag Gebäck mit Bibelversen zu dekorieren?