Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 
Autor Nachricht
Lisa M.
(Standard)

Zitat:
es ist euch hoffentlich klar, dass ich diese Position nicht vertrete?


Ja. Dir ist hoffentlich auch klar, dass ich die andere Position nicht vertrete?

Das Problem mit diesen Polen ist immer, dass man in dem, was der andere schreibt, schon die ersten Ansätze sieht zu dem, was man ablehnt.

Ich hänge so irgendwo zwischen dem Wunsch, dass jeder Mensch akzeptiert wird, so wie er ist, und dem Wunsch, jedem die möglichst optimalen Entwicklungschancen zu bieten und der Ansicht, dass auch jeder gleichermaßen ein Recht darauf hat - unabhängig davon, ob seine Art der Lernbedürfnisse der Norm entsprechen oder nicht. Ich finde beides berechtigt.

Zitat:
Ich habe nichts gegen das Lernen, aber das ist nicht dasselbe wie "Heilung".


Okay. Ich verstehe durchaus, was an diesem Begriff schräg ist, und hab ihn mehr so aus Faulheit übernommen und weil mir auch kein besserer einfiel. Mir fällt noch immer nicht ein, wie das heißt, wenn jemand aufgrund einer therapeutischen Entwicklung keinerlei Symptome einer "Störung aus dem autistischen Spektrum" mehr aufweist. Wäre aber interessant zu wissen, wie man das korrekterweise nennen könnte. Hat jemand 'nen passenden Ausdruck?

Zitat:
Die Forderung nach Berücksichtigung geeigneter Lernmethoden finde ich jedoch berechtigt und notwendig.


Ich glaube nicht, dass ungeeignete Lernmethoden besonders gut funktionieren. Darum geht's ja grade. Die Lernmethoden, die für NT-Kinder geeignet sind, sind es nicht unbedingt für Autisten.

Zitat:
Ich finde es nur unfair, Interessenskonflikte, denn genau das ist es meiner Ansicht nach, auf die eine Seite zu verlagern, auf die Seite der Leute, die in der schwächeren Position sind. Im Interesse so mancher Autofahrer ist es offenbar ungebremst über die grüne Fußgängerampel zu brettern, und ich soll damit klar kommen, dass ich mich zu Tode erschrecke?


Das finde ich auch immer wieder unfair. Ich bin dauernd wütend auf Autofahrer, weil sie an grüne Fußgängerampeln in einem Tempo ranheizen, als wollten sie einen über'n Haufen fahren. Und ich find's auch ziemlich unglaublich, dass hier in Berlin Radfahrern ständig zugemutet wird, auf stark befahrenen vierspurigen Straßen irgendwo zwischen Straße und Parkstreifen langzueiern, wobei man ständig damit rechnen muss, dass unmittelbar vor einem 'ne Autotür auffliegt. Kein Platz da für Radwege? Ach? Und wieso ist Platz da für ca. 3 m Fußweg und 8 m Straße und 4 m Parkstreifen? Wo ich früher gewohnt habe, bin ich täglich mit dem Rad gefahren, aber hier traue ich mich auf vielen Strecken einfach nicht, weil ich jedesmal fast vom Rad falle vor Schreck, wenn da einer mit 50 km/h so dicht an mir vorbeibrettert.

Rollstuhlfahrer ist auch ein verblüffendes Thema: Nicht alle U- und S-Bahn-Stationen haben Aufzüge!

Zitat:
Eine Rampe sehe ich im Übrigen nicht als Nettigkeit oder Wohltätigkeit der Nichtbehinderten, die ist genau so eine selbstverständliche Mobilitätshilfe wie eine Treppe.


Sehe ich genauso. Es ist zwar nicht möglich, in jedem Privathaushalt auch noch 'ne Rampe einzubauen, aber im öffentlichen Raum sollte bei der Planung schon dran gedacht werden, dass es Leute gibt, die zu Fuß gehen, Leute, die mit Rollstühlen fahren, Leute, die mit Kinderwagen unterwegs sind, usw.. Ich denke, so unendlich sind die Möglichkeiten da nicht, dass man das nicht auch entsprechend gestalten könnte. Nebenbei habe ich als Nicht-Rolli-Fahrerin kein Problem damit, eine Rampe hochzulatschen, falls kein Platz da sein sollte für beides.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
14.09.06, 21:58:27
Link
Lisa M.
(Standard)

Aber hier wurde eine Frage noch nicht beantwortet, und die meinte ich durchaus ernst. Nachdem es - eigentlich zu Recht! - Einwände gab, dass Autismus keine Krankheit ist und deshalb auch keine "Heilung" möglich sei, wollte ich wissen, welcher Begriff denn nun angemessen wäre:

Zitat:
Mir fällt noch immer nicht ein, wie das heißt, wenn jemand aufgrund einer therapeutischen Entwicklung keinerlei Symptome einer "Störung aus dem autistischen Spektrum" mehr aufweist. Wäre aber interessant zu wissen, wie man das korrekterweise nennen könnte. Hat jemand 'nen passenden Ausdruck?


Vielleicht hätte ich längst drauf kommen müssen, denn da muss es doch ein Wort für geben...!

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
20.09.06, 20:43:11
Link
bellaria
(Angehörigenbereich)

Wenn's eine chronische Krankheit wäre, würde ein Arzt wohl von "symptomfrei" sprechen.

Ich hab da eine (etwas seltsame, aber ganz sicher nicht beleidigend gemeinte)Assoziation, bzw. Erinnerung an einen Tierarztbesuch:

Ich war mit einem meiner Überwinterungs-Gäste (Igelkind) beim Tierarzt, weil der Igel seit Tagen Schnupfen hatte. Ich hol den Igel raus und leg ihn auf den Behandlungstisch, der Igel rollt sich ein (wie überraschend), der Tierarzt nimmt einen Kugelschreiber, stubbst die Igelrolle an, dreht sie einmal nach links und einmal nach rechts und fängt allen Ernstes an mit einem Vortrag: "Der Igel ist ein symptomarmes Tier".

Ich hab extra vorher angerufen, ob er auch Igel behandelt und ob es überhaupt Sinn macht, vorbeizukommen.
Wenigstes hat er sich nicht getraut, dafür etwas in Rechnung zu stellen zwinkern

Vielleicht ist das ein mögliches Ziel - unauffällig und funktional genug zu werden, um in Ruhe leben zu können?
20.09.06, 21:05:24
Link
Lisa M.
(Standard)

geändert von: Lisa M. - 20.09.06, 21:25:31

Zitat:
Vielleicht ist das ein mögliches Ziel - unauffällig und funktional genug zu werden, um in Ruhe leben zu können?


Ich denke, es ist schon ein bisschen mehr. Wie wir jetzt wissen, zieht sich der Autismus durch das gesamte Gehirn, v.a., indem Verbindungen zwischen weiter voneinander entfernten Gehirnteilen fehlen. Das Gehirn wächst aber beim Lernen. Da wachsen wirklich Verbindungen zwischen Gehirnzellen - insbesondere in der Kindheit. Autisten brauchen offenbar für die entfernten Verbindungen stärkere und gezieltere Anregungen - möglicherweise bedingt durch die Schwierigkeit, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
20.09.06, 21:25:05
Link
christian_k
(Autistenbereich)

Hallo alle,

ich habe letztens auch irgendwo etwas über eine angebliche "Heilung" gelesen und darüber nachgedacht.

Was wäre, wenn dieser "Erfolg" (was immer das jetzt genau ist) gar nichts mit der Therapie zu tun hat?

Eine grosse Zahl von Eltern hat autistische Kinder. Darunter wird es sicher einige geben, die eine sehr positive Entwicklung durchmachen und ein hohes Mass an Eigenständigkeit erreichen. Ein solcher Fall erscheint erstaunlich und die Eltern oder behandelnde Therapeuten verfassen ein Buch darüber - in welchem dies natürlich mit der Behandlung in Verbindung gebracht wird. Die anderen Fälle, in denen das nicht gelingt, gehen im Hintergrundrauschen der globalen Informationsflut unter.

Es gab einen Bericht über mich, dort wurde mir - vor meinem 2. Geburtstag - der Verdacht auf Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] gestellt. Man hielt es für sehr fraglich, ob ich jemals richtig sprechen lernen könnte. Trotzdem lebe ich heute eigenständig, habe einen guten Schulabschluss, einen qualifizierten Job und sprechen kann ich auch. Noch ein wenig literarisch dazu gedichtet und schon hätte das jemand als Behandlungserfolg verkaufen können - ich wurde aber gar nicht behandelt...

Ich selbst halte mich auch für weit entfernt davon, "geheilt" zu sein. Hätte aber irgendein Doktor mir das als Kind nur oft genug erzählt, dann hätte ich vielleicht irgendwann angefangen, es selbst zu glauben.

Ein Einzelfall ? Ich glaube nicht. Die Autisten, die die grössten Erfolge und die erstaunlichsten Entwicklungen haben werden warscheinlich niemals diagnostiziert und auch nie behandelt. Und selbst wenn man davon weis, weis man doch nie ob dieses eine Kind sich ohne die Therapie oder mit einer anderen nicht genauso gut hätte entwickeln können.

Nicht falsch verstehen, ich halte Therapien und deren Erforschung für sinnvoll. Aber wer "Heilung" verkauft und damit Hoffnungen weckt, die vielleicht auch nicht erfüllbar sind, handelt verantwortungslos.

Gruss
Christian
05.10.06, 23:30:27
Link
Gehe zu:
Technische Rechte (vorbehaltlich seperater moderativer Einschränkungen):

Es ist dir nicht erlaubt, neue Beiträge zu schreiben.
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu erstellen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu löschen.


HTML Code ist AUS
Board Code ist AN
Smilies sind AN
Umfragen sind AN

Benutzer in diesem Thema
Es lesen 2 Gäste und folgende Benutzer dieses Thema:

Ähnliche Themen
Thema Antworten Hits Letzter Beitrag
Gehe zum ersten neuen Beitrag Religion
535 1753741
09.07.21, 14:33:42
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Gehe zum ersten neuen Beitrag Hallo.
585 411309
11.12.16, 18:05:19
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Gehe zum ersten neuen Beitrag Grundsatzfragen "krank" vs. autistic pride
305 837154
07.06.13, 12:14:28
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Archiv
Ausführzeit: 2.9503 sec. DB-Abfragen: 15
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder