starke Dame
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geändert von: starke Dame - 20.02.10, 19:15:01
@azrael
ich versuche es einmal ausführlich zu beantworten.
Mein Sohn war für mich immer ein normales Kind, das er sich anders verhielt fand ich nicht unnormal sondern habe es immer als seine freie Willensentscheidung empfunden. Ich empfand es wirklich so, er will nicht mit anderen spielen und er will nicht an schwachsinnigen Gruppenaktionen mitmachen.
Dann kamen die ersten Bemerkungen von der Krabbelgruppe, er zeigt autistisches Verhalten. Damals habe ich es abgetan und habe gesagt, es ist bei einem 2-jährigen noch zu früh, von so etwas auszugehen. Die Ki-Ärztin sagte das gleiche, also war es erst einmal vom Tisch. Naja, er wedelte mit den Armen, ich habe mir eingeredet, das hat er sich von den Teletubbies abgeschaut. Die wedeln auch wenn sie sich freuen.
Dann kam der 3. Geburtstag und auf einmal hieß es, wenn er das gleiche mit 2 macht ist es normal, jetzt mit 3 ist er nicht mehr normal. Die Ärztin sagte, er verhält sich nicht normal.
Gut, ich kam zu einer Frühförderstelle, dort bekam ich auch den Hinweis er könnte Autist sein.
Dann habe ich mir gebrauchte Bücher über Autismus besorgt, der Frosch in der Milchschüssel, das 1. Buch von Birger Selin und Ein neuer Tag von Barry N. Kaufmann.
Danach fiel ich in ein tiefes Loch und hatte ein super falsches Bild von Autisten. Das schlimme Bild - das womit ihr nicht verglichen werden wollt. Na, ich ging mit meinem Mann zu einem psychologischen Beratungsinstitut. Die fingen an uns auf zu bauen. Das es anders ist.
Ich fand dieses Forum, das hat mir enorm gezeigt, wie es sein kann wie ich mit dem ganzen umzugehen habe. Trotzdem wollte ich meinem Sohn helfen. Die Angst er könnte das Leben nicht schaffen (welche schwachsinnig ist - aber von mir empfunden wurde) war wie eine Bestie und ich fing an, diese Angst in unzähligen Freizeitaktivitäten und Fördermaßnahmen zu kompeniseren, die ich mit und vor allem für meinen Sohn jeden Tag durchzog. Ich habe mit ihm von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends gearbeitet. Gespielt, gemacht, getan - die Kleine mit versorgt, und damals fiel von mir auch die Bemerkung, mein Leben fängt erst um 19 Uhr an. Ja, ich hab Vollgas gegeben, ich habe Bildkarten gekauft, unzählige Spiele, Kinderbücher und Fachbücher über Autismus, die las ich abends im Bett. Machte mich alles wirr und konfus.
Dadurch, dass ich das von dem Buch, ein neuer Tag, gelesen habe. Machte ich es in meiner freien Zeit mir immer mehr im Kinderzimmer bequem und beobachtete meinen Sohn lange. Ich versuchte alles zu bewerten und zu deuten - agierte mit ihm und hatte durch dieses Zusammen wachsen, welches ich empfunden habe, wirklich das Gefühl, seine Wünsche und Gefühle zu empfinden. Das war damals der Prozess - ich habe akzeptiert - aber wollte alles was geht noch raus holen, mir nichts vorwerfen, als Mutter alles geben. Ich war überdreht, meinem Sohn hat es zwar nicht geschadet aber mir, ich habe mich total verausgabt.
Das ist die Phase, man redet sich ein, man weiß was er denkt, fühlt will und nicht will, was er kann und nicht kann. Und dann schreibt eine andere Person, das gibt es nicht, du meinst es wär so.
Oha, ich opfere mich auf (ungebetenerweise) und jemand denkt das von mir, klar, ich bin eingeschnappt, ich die Übermutter, das geht doch garnicht....niemals, ich habe Recht - nur ich.
Jetzt ist diese stürmische Gefühlswelt vorbei - ich weiß mein Sohn wird sein Leben meistern, er kann vieles und ersaunt mich täglich mit Sachen wovon ich nichts wusste. Ich mache die Hausarbeit nicht mehr nachts sondern normal tagsüber und er darf auch dann alleine spielen oder mit seiner Schwester spielen. Und er macht trotzdem seine Fortschritte und verblödet nicht - oh wunder - ich hatte mich verrannt, spiele nicht mehr den ganzen Tag sondern an manchen Tagen nur 2 Stunden und an anderen 6 Stunden. Die Kinder freuen sich wenn ich mit ihnen spiele und freuen sich auch wenn sie sich alleine beschäftigen.
Na, soviel zum Thema Förderung und Therapie - ich glaube, ich habe mich selbst therapiert und begriffen, alles ist gut. Er ist ein normales Kind - jedes autistische Kind ist ein normales Kind, das Denken der anderen ist nicht normal. Man sollte die Kinder einfach mal laufen lassen und entspannen. Ich habe mir viele unnötige Gedanken gemacht und unnötige Sorgen. Ich muss meinen Sohn nicht immer verstehen - aber ich muss sein Handeln tolerieren und Verständniss haben, mehr möchte er nicht. Hauptsache ich laß ihm seine Selbstständigkeit und behandel ihn nicht wie ein rohes Ei ohne Schale.
Ein Autist und ein Nichtautist können niemals die gleiche Wellenlänge haben, ist halt so - diese Seelenverwandschaft, die ich mir gewünscht habe wird es halt nicht geben - aber Vertrauen wird es geben.
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