Nun ist es ja nicht so, daß menschliche Gesellschaften dazu neigen nur vor der Kulisse von Religionen solche Gewalt hervorbringen.
Nicht nur, aber überwiegend.
Wie kommst du nun zu deiner mir doch ziemlich verzerrt erscheinenden Sichtweise, die sich als vermeintliche Ursache solcher Begebenheiten an Religionen abreagiert?
Wenn Du jetzt z.B. Deinen Glauben lebst, dann denkst Du vermutlich, das hat nichts mit anderen Religiösen zu tun, die Religion als Instrument und Druckmittel für Gewalt, Kriege, Genozid, Unterdrückung und Ausgrenzung einsetzen und fühlst Dich wahrscheinlich persönlich angegriffen, wenn jemand sagt, daß er Religionen für absurd und gefährlich hält. Wenn ich aber als Atheist theistische Weltbilder und Vorgehensweisen von aussen, also als Aussenseiter betrachte, muß es mir zwangsläufig absurd erscheinen, wenn klar definierte Sünden nicht begangen werden sollen, aber dennoch begangen werden, und wenn dann z.B. ein Katholik gesündigt hat, geht er zur Beichte und alles ist wieder gut. Es ist für mich absurd, wenn ich hier in Köln auf junge Menschen treffe, die allen Ernstes davon überzeugt sind, dass Mensch und Erde göttliches Machwerk sind (in sieben Tagen erschaffen)und ehemals Termiten, Naßhörner, Pinguine ... Händchen haltend Noahs Arche bestiegen haben. Begründung: "Weil es so in der Bibel steht". Gegenfrage:"Wer hat die Bibel geschrieben?" Antwort:"Gott hat das vermittelt". Ich bin z.B. ganz platt, wenn mich jemand dazu auffordert zu beweisen, daß es keinen Gott gibt. Hier in Köln ziehen sich die Evangelischen und Katholiken, Neu Apostoliker und andere gegenseitig auf. Unterschiedliche Glaubensgemeinschaften gehen ständig auf Konfrontation. Damit zeigt sich doch, daß sie alle nicht nebeneinander existieren und sich einfach mal in Ruhe lassen können, a´la: Mein Glaube oder mein Gott ist der Richtige. Nein, meiner! Nein, meiner! Ja, ich finde das absurd. Ich habe einige Zeit in Syrien gearbeitet und Freunde in Israel. Moderne Geschäftsleute in Syrien sprechen von einer Weltverschwörung der Juden, weswegen sie diese bekämpfen müssen; meine Freunde in Israel haben Kinder und sagen: Wir wollen einfach nur Frieden und unsere Ruhe, sollen doch die Palästinenser endlich ihren eigenen Staat gründen und die Golanhöhen zurück an Syrien gehen. Sie feiern zwar die traditionellen Feste, bekennen sich aber nicht mehr zu derart Glauben, wie er von den orthodoxen und rechten zelebriert wird (Dieses Land gehört uns, weil Gott das gesagt hat), weil hiermit Glaube/ Religion schlichtweg als Instrument eingesetzt wird, wo politische und wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.
Gehen wir mal kurz zurück zur Zeit der Benediktiner. Was haben die Gelder eingenommen, allein schon durch die Bewirtschaftung entlang des Pilgerweges nach Santiago de Compostela, haben Reichtum angehäuft und Völlerei betrieben. Franziskus und sein Bruder sind abgehauen und haben ihren eigenen Orden gegründet (Als Beispiel). So war es doch immer in der Geschichte: sobald sich mehrere nicht mehr mit einer Sache identifizieren konnten, kam es zu einer Reformation, bzw. Neugründung mit modifizierter Ausrichtung. Das beweist doch, dass Religion nicht gesellschaftsfähig ist, ohne daß es Spannungen gibt, weil Gerechtigkeitssinn und persönliche Erwartungen an eine Sache stets unterschiedlich sind. Eine Zweckgesellschaft mit herausgehobenen Bedeutungen geht auch gegenüber seinen Gläubigern Pflichten ein (z.B. Solidarität). Und genau dort, wo menschliches Versagen in Haftung geht, sollte Religion nichts mehr zu suchen haben. Hat es aber nicht, denn gerade dann müssen Religion und Glaube für das gerade stehen, wo Argumentation und Verstand nicht mehr ausreichen. Und auch das finde ich absurd. Werden damit die unbedarften Gläubigen nicht ständig hintergangen und dazu genötigt, sich damit zu identifizieren? Religionen können sich nicht von Gesellschaftspolitik frei machen. Was wäre denn die Lösung? Momentan ist der Mensch (nur) soweit entwickelt, daß er sich nicht auf die Stärke des Rechts sondern auf das Recht des Stärkeren stützt. Ich war mal am Bodensee aus Versehen in eine Veranstaltung geraten, wo in einem großen Saal hunderte von Privilegierten ("Auserwählten") in Massenhysterie verfallen sind ("Ich bin stark, ich kann das; Schakra!") - auch das fand ich absurd und habe es nicht verstanden. Ach, ich könnte noch ins Kleinliche gehen: Als die Menschen noch überwiegend auf dem Feld gearbeitet haben, hatte die Kirchenglocke mal den Zweck, die Leute an das Morgengebet, das Mittagessen nebst Gebet und das Abendessen nebst Gebet zu erinnern (es gab ja noch keine Uhren, oder Sonnenuhr auf dem Feld), weil sie weit weg waren, und jetzt bimmeln einem in einer Großstadt wie Köln die Kirchenglocken um die Ohren, daß es an Körperverletzung geht. Wozu, heute, hier? Ich empfinde das alles als aggressiv und - ja, ich habe auch Angst vor religiösen Fanatikern. Jeder soll und kann von mir aus jede Art von Glauben ausführen können, aber ich möchte nicht damit konfrontiert werden.
Bücher, die mir gut gefallen haben - Konzelmann: "Die großen Kalifen"; A. Koestler:"Diebe in der Nacht"; Luther Blisset:"Q", aber auch David A. Yallop:"Im Namen Gottes?" oder B. Oakley:"Biologie des Bösen" und R.Dawkins:"Der Gotteswahn".