55555
(Fettnäpfchendetektor)

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geändert von: 55555 - 03.03.15, 09:42:42
Immerhin nicht ohne zu erwähnen, daß in der Sendung offenbar niemand eingeladen wurde, der weiß was die Gender Studies eigentlich tun (ich will mal soviel verraten: Sie beschäftigt sich nicht vorrangig mit Sprache). Dieser Artikel hinterläßt mich letztenendes etwas ratlos. Medien berichten über Medien ohne zu wissen, worum es eigentlich beim Thema geht? Und das auf der Grundlage der Sendung eines öffentichen Senders, der soweit ich mich vage erinnere soetwas wie einen Informationsauftrag hat? Ist das euer Ernst?
Zitat:
Die „Gender Studies“ sind zu einem Witz geworden, wie gestern Abend in der Sendung „Hart aber fair“ bei Frank Plasberg deutlich wurde. Den Witz kann man nur mit Satire deutlich werden lassen. Darum bemühte sich der Moderator mit seinen Gästen in einer Form antagonistischer Kooperation. Antagonistisch, weil nicht alle einer Meinung waren. Kooperativ, weil sich alle bemühten am Erfolg der satirischen Aufarbeitung des Themas teilzuhaben. Schließlich ging es hier zumeist nicht um reale Menschen mit ihren wirklichen Problemen, sondern um die Dekonstruktion von Sprachverwendung, mit denen sich die „Gender Studies“ zumeist beschäftigen.
Der Biologe Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, fasste deren Grundgedanken gut zusammen, obwohl es sich dabei eigentlich um Linguistik handelt. Am Pranger steht das „generische Maskulinum“, das sich den Luxus erlaubt, Männer und Frauen zu meinen, obwohl dort nur von Männern die Rede ist, so die Kritik. „Wenn sie Ärzte, Politiker und Studenten sagen“, so Hofreiter, „denken sie immer an Männer.“ Allerdings könnte man in der von Hofreiter gewählten Reihenfolge auch eine Wertung vermuten. Ärzte und Politiker, so die mögliche These, sind für ihn wichtiger als Studenten. Deswegen kommen sie an letzter Stelle. Nun wissen wir nicht, ob hier Hofreiters Unterbewusstsein seinem Sprachverständnis einen anti-emanzipatorischen Streich gespielt hat. Aber auszuschließen ist das nicht, wenigstens dann nicht, wenn man die Welt nur noch aus der Perspektive von Sprachspielen analysiert. Die sollen allerdings nicht die Welt verständlich machen, sondern vor allem das Unverständnis über sie zum Ausdruck bringen.
Kein Wunder also, wenn die Schauspielerin Sophia Thomalla davon bis gestern Abend noch nie etwas gehört hat und sie den Sinn des zukünftigen Studierendenwerkes im Gegensatz zum traditionellen Studentenwerk nicht zu erkennen vermag. Frau Thomalla sieht dort weiterhin Männer und Frauen, egal wie sich das Versorgungswerk nennt. Sie hat aber sicherlich auch noch nie von den französischen Strukturalisten in der Tradition Michel Foucaults gehört, ohne den die „Gender Studies“ nie zu einer hochschulpolitischen Institution geworden wären. Das gilt aber bestimmt auch für Hofreiter.
Die Bloggerin und Autorin Anne Wizorek wollte dieses Defizit wahrscheinlich ausgleichen, wenn sie fragte, warum bei Plasberg „kein Vertreter der Gender Studies eingeladen“ worden sei. Den wissenschaftshistorischen Hintergrund dieser Forschungsrichtung zu diskutieren, hätte aber bestimmt den Moderator überfordert. Vom Zuschauer wollen wir gar nicht reden. So blieb es dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und der Publizistin Birgit Kelle die Rolle der Kritiker der Nachfolger Foucaults bei „Hart aber fair“ zu spielen. Das sollte ihnen auch nicht weiter schwer fallen. Kubicki berichtete über seine Töchter, die die Gleichstellung wohl eher pragmatisch betrachten. Frau Kelle von einer Wiener Studie vom Pferd, dem es scheinbar egal ist, ob es von einem Mann oder einer Frau geritten wird.
Beide hatten beim Zuschauer einen Vorteil, wenigstens wenn sie nicht ein Seminar an einen der noch nicht einmal 200 Lehrstühle für „Gender Studies“ besucht haben. Sie gehen nämlich davon aus, dass Sprache die Wirklichkeit immer noch zum Ausdruck bringt und nicht in erster Linie dazu dient, diese zu verbergen. Etwa die Unterdrückung der Frau. Nur deshalb streitet man sich schließlich so hartnäckig um Worte oder Symbole, wie um das Ampelmännchen und die Frage, ob es als Frau ein Kleid tragen darf. Wenn man die Welt schon nicht ändern kann, soll wenigstens das Denken und Sprechen über sie nicht ungeschoren bleiben.
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Leider konnten die Protagonisten der 1960er Jahre diese Sendung von gestern Abend nicht sehen. Sie wären über Frau Thomalla, vorsichtig formuliert, ästhetisch entsetzt gewesen und hätten Frau Kelle als unweiblich vorlaut empfunden. Allerdings hätten sie vom postmodernen Feminismus von Frau Wizorek kein Wort verstanden. Den beiden Herren Kubicki und Hofreiter hätten sie als Männer eine natürliche Autorität zugesprochen. Bei Hofreiter aber wohl nur, wenn er vorher zum Friseur gegangen wäre. So hat sich seit damals viel getan.
Immerhin auch im Naturpark Eifel, wie der Zuschauer bei Plasberg erfahren durfte. Dort wurde symbolisch die Hirschkuh dem „röhrenden Hirsch“ gleichgestellt. Allerdings nur im Prospekt. An der Paarbeziehung der Hirsche im deutschen Wald soll sich aber ansonsten nichts geändert haben. So bleibt uns wenigstens diese Konstante im Leben erhalten.
Quelle
Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
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