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Thema: Amygdala und Blickkontakt (http://autismus.ra.unen.de/topic.php?id=8449)


Geschrieben von: 55555 am: 08.05.21, 14:17:01
Zitat:
Autisten beschreiben Blickkontakt mitunter als unangenehm, in manchen Fällen sogar als schmerzhaft. Dies veranlasste Hadjikhani und ihre Kollegen dazu, die Hirnaktivität von Betroffenen zu untersuchen, während diese Fotos von Menschen betrachteten. Die Forscher maßen via funktioneller Magnetresonanztomografie, wie 23 autistische und 20 nichtautistische Probanden auf Porträtbilder reagierten. Die Gehirne beider Personengruppen zeigten ähnliche Aktivitätsmuster, solange die Testpersonen ihre Blicke frei schweifen lassen konnten. Wenn ihr Blick aber einem Pfeil folgen sollte, der auf die Augen eines Porträtierten deutete, beobachteten die Forscher bei den autistischen Versuchsteilnehmern eine deutlich höhere Aktivität in den an reflexartigen Augenbewegungen beteiligten Colliculi superiores und der Amygdala – jener Hirnregion, die auf Furcht einflößende Reize reagiert. Die Wissenschaftler verwendeten Fotos, die vier verschiedene Gemütszustände zeigten, nämlich: neutral, fröhlich, zornig und ängstlich. Der Unterschied zwischen autistischen und nichtautistischen Probanden war am größten, wenn sie ängstliche Gesichter betrachteten.

Quelle
Zitat:
Davidson zeigte, dass der Anblick von Porträtfotos bei ihnen vergleichsweise wenig Aktivität in einer Gehirnwindung auslöste, die normalerweise beim Betrachten von Gesichtern aktiv wird, dem Gyrus fusiformis. Er liefert uns entscheidende Informationen über die Gefühle anderer Menschen: Lächelt die Person? Guckt sie erstaunt? Oder sieht sie traurig aus? Das wissen wir unter anderem dank des Gyrus fusiformis.

Gleichzeitig sind bei Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] die Mandelkerne hyperaktiv, sobald sie anderen in die Augen blicken – denn das bereitet ihnen Angst und Unbehagen. Entsprechend versuchen sie es zu vermeiden, wodurch ihnen Informationen über die Gefühlslage ihres Gegenübers entgehen. Diese und weitere Erkenntnisse brachten Davidson auf den Gedanken, dass unsere Fähigkeit, Gefühle in Gesichtern zu lesen, in einem neuronalen Netzwerk wurzelt: Je reger der Gyrus fusiformis und je stiller die Mandelkerne, desto leichter fällt es uns, den Ausdruck eines Gesichts zu entschlüsseln, anders gesagt: desto mehr verfügen wir über soziales Gespür.

Quelle


Geschrieben von: feder am: 09.05.21, 20:17:39
Dass Menschen, die Furcht/Stress empfinden, nicht auf Feinheiten reagieren können, wird ja auch in anderen (nichtautistischen) Zusammenhängen beschrieben. Soweit ist das auch banal nachvollziehbar. An sich werte ich diese Studie somit eher als Beleg für eine Stressreaktion von Autisten, wenn sie in die Augen schauen sollen. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie autistischen Kindern das In-die-Augen-Schauen beigebracht wird, ist das nicht weiter verwunderlich.


Geschrieben von: 55555 am: 09.05.21, 20:55:53
Das würde dann bedeuten, daß Autisten von Natur aus Blickkontakt eher nicht als so besonders erleben, etliche dann aber wegen des Drängens andere zu Blickkontakt die hier auch "gemessene" Furcht entwickeln, Blickkontakt so für diese eine Triggersituation wird.


Geschrieben von: feder am: 09.05.21, 21:06:27
Im Grunde ja. Vermutlich, dass Autisten im Vergleich zu Nichtautisten weniger von sich aus das Bedürfnis haben, in die Augen zu schauen.