Zitat:
Die meisten Köpfe sind falsch programmiert, wenn über „Muslime und der Westen“ diskutiert wird. Klischees und Legenden überwiegen auf beiden Seite. Die wirksamste lautet: Die Probleme der Muslimischen Welt wären die Folge westlicher Ausbeutung und Unterdrückung. Auch das ist oft zu hören: Wenn islamisches Blut fließe, lasse das „den“ Westen kalt. Wie mordsgefährlich solche Legenden sind, beweist das Beispiel Bosnien. Es steht für viele andere.
Die meisten Dschihadisten Europas kommen aus Bosnien. Scharenweise kämpfen sie in Syrien und im Irak. Weshalb? Weil die meisten dieser „(Un)Heiligen Krieger“ durch jene Legenden manipuliert wurden. Wie so oft, sind Tatsachen gegen die Legenden fast wirkungslos.
Während des Bosnienkrieges der Jahre 1992 bis 1995 floss tatsächlich viel Blut, vornehmlich muslimisches Blut. Serbien und bosnische Serben massakrierten die Muslime in Bosnien-Herzegowina regelrecht. Sarajewo, die Hauptstadt, wurde fast täglich bombardiert, aber auch andere vorwiegend muslimische Städte.
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Gewiss, der Westen griff spät, zu spät, ein und an, aber sonst keiner. Wehrhaftere Friedenstruppen, ebenfalls weitgehend aus dem Westen, sicherten jahrelang weiter das Überleben der bosnischen Muslime. Politisch und wirtschaftlich hätte man (wer?) viel mehr tun können, ja, müssen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Muslime Bosniens und Herzegowinas dem Westen ihr Leben zu verdanken haben.
Wie ist es also zu erklären, dass sich ausgerechnet aus Bosnien so viele junge Männer den Killertruppen des Islamischen Staates anschließen?
Manche werden einwenden: Sie kämpfen ja im Irak und in Syrien. Stimmt, aber der IS ist bekanntlich gleichzeitig gegen und im Westen mordend aktiv. Die Frage bleibt also unbeantwortet. Wo ist die Schuld des Westens? Und wenn der Westen schuld ist, was ist mit denen, die nie und nicht geholfen hatten?
Diese Fragen sind alles andere als akademisch, sie sind brisant. Sie zeigen das grundsätzliche Dilemma westlicher Politik gegenüber der größeren Muslimischen Welt, denn das Bosnien-Muster steht nicht allein. Greift der Westen nicht ein, ist es falsch. Greift er ein, ist es auch falsch. Das gilt für die Außensicht und bei vielen auch bezogen auf die Innensicht, auf uns selbst. Was tun?
Um etwas mehr zu ergründen, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Im Zweiten Weltkrieg hat der Früh-Islamist, Haj Amin el-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, in Bosnien muslimische Freiwillige für die Waffen-SS angeworben und NS-Propaganda verbreitet. Mit Hilfe Hitler-Deutschlands wollten muslimisch-bosnische Nationalisten die Unabhängigkeit von Jugoslawien erkämpfen. Weg von Jugoslawien, das war, wie heute, verständlich, aber ausgerechnet mit Hitler-Deutschland?