Coyote
(Autistenbereich)
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Ich hoffe, dass diese Kategorie richtig gewählt ist und
dass ich hier nicht wieder endlos viel schreibe.
Am Montag habe ich mit einer Psychologin gesprochen. Ich kenne sie privat und das ganze Gespräch war inoffiziell.
Ich gebe ihr jetzt mal den Nicknamen Tanja.
Eine Woche zuvor hatte ich Tanja einen Bogen Papier gegeben, wo sehr viele typische Merkmale für Autisten standen, den ich aus dem Internet hatte. Was auf mich zutraf, hatte ich markiert (zu 90 oder sogar 95%). Das Wort Autist hatte ich jedoch ausgelassen, bezw. kleine Striche gesetzt, denn ich wollte, dass sie da neutral rangeht und sich so ihr eigenes Bild macht.
Am Anfang sagte sie gleich, diese Merkmale kämen ihr alle sehr bekannt vor und sie deuteten auch ADHS hin. Gestand mir aber, dass sie über Autismus so gut wie gar nicht informiert sei. Sie erzählte mir dann etwas über ADHS, wo man tatsächlich Gemeinsamkeiten entdeckt. Ich hatte zuvor aber auch schon mal im Internet den Vergleich gezogen, da waren die Unterschiede krasser dargestellt, so dass ich mich bei Autismus doch viel mehr wieder erkannte und mehr Gemeinsamkeiten dort fand.
Dies sagte ich ihr und zählte es auf. Dazu konnte sie leider nicht viel sagen, nur, dass es auch ADHS´ler gibt, die nicht oder fast nie aufbrausend reagieren, sondern auch so zu sagen „in sich gehen“, wie sie es nannte.
Tanja wusste von meiner Kindheit und dachte auch an ein Trauma. Ich erzählte ihr, dass mein Vater einmal sagte, meine Mutter kam nicht damit zurecht, dass ich anders, merkwürdig reagierte, oft auch wohl zickig wirkte und auch so zu sagen ihre Liebe nicht erwiderte. Ich glaube aber auch, dass da vieles nicht unbedingt mit Autismus zu tun haben muss. Wahrscheinlich wollte ich z.B. ihre Hand nicht nehmen, weil sie mich so behandelte. Ich habe da noch mal drüber nachgedacht. Als mein Sohn klein war, habe ich ihm sehr oft die Hand gegeben und ihn sehr gerne und oft in den Arm genommen (bei meinem Mann früher war das auch mal so), da habe ich auch seine Nähe gesucht. Okay, manchmal schon distanzierter, aber auch daraus kann man keine Schlüsse ziehen.
Im Laufe des Gesprächs erzählte Tanja mir, das sie viel mit ADHS Kindern gearbeitet habe. Durch diese Arbeit wurde ihr selbst irgendwann bewusst, dass sehr viele Faktoren auch auf sie selbst zutreffen. Sie sprach mit ihrem sehr vertrauten Hausarzt darüber, der ihr daraufhin Tabletten verschrieb, um bestimmte (ihr lästige – besser störende) Symptome zu unterdrücken. Diese Symptome seien wohl auch für Autismus typisch, da jedoch würden die Medis nicht wirken. Bei ihr wirkten sie und sie fühlte sich in vieler Hinsicht besser.
Nebenbei erzählte sie mir folgendes: Ein drei Monate altes Mädchen (kleines Baby), war sehr stark vernachlässigt worden. Nicht körperlich misshandelt, sondern keiner hatte sich gekümmert.
Sie reagierte auf gar nichts. Man hielt ihr Rasseln vor den Augen, ging mit Gegenständen vor ihren Augen hin und her oder machte spezielle Mimiken. Keinerlei Reaktion des Babys. Guckte starr und die Pupillen bewegten sich nicht. Tanja sagte, dass sie so in sich selbst war, dass sie nichts anderes wahrnehmen konnte.
Nun, da ich Tanja kenne, weiß, dass sie mit ADHS lebt, beobachte ich sie jetzt sehr genau (hoffentlich nicht ganz so auffällig) und vergleiche es mit mir selbst. Bedingt durch viele körperliche Krankheiten (schiefe Wirbelsäule u.a.), möchte sie ihre Frührente, die so zu sagen ausläuft, verlängert bekommen. Wenn dies klappt, will sie bei sich zu Hause eine Party geben. Ups – ohne mich bitte!
Auch geht sie gerne auf Veranstaltungen, ich meide dies, wo es nur geht.
Allerdings sagte sie auch zu mir, dass ich auf sie nicht den Eindruck erwecke, dass ich mich anderen Leuten gegenüber verschließe, sondern eher, dass ich keine Scheu habe, auf Menschen zu zugehen. Dass ich einen recht lockeren Umgang mit Menschen habe. Okay, aber da sind wir nie unter Fremde. Bei Fremden bin ich sehr distanziert, weil verunsichert.
Zum Beispiel ging mir die Situation von einem ADHS´ler hier im Forum durch den Kopf, der schrieb, dass er sich locker mit dem Kellner unterhalten habe. Also ein locker, flockiges Gespräch führte, mit einem Mann, den er (wie ich annehme) zuvor nicht, oder kaum kannte.
Auf diese Idee würde ich nie kommen. Ich frage wohl mal fremde Leute nach dem Weg (wenn es unbedingt sein muss), oder gebe völlig normal eine Bestellung auf. Glaube auch nicht, dass ich schüchtern bin, aber unterhalten kann und will ich mich nur mit Leute, die ich gut kenne. Diese schaue ich dabei auch an. Nicht lange, kurz, aber das machen andere ja auch nicht ständig.
Was mir einfällt, ist, dass z.B. wenn ich im großen Einkaufscenter bin (lebe in der Stadt), laufe ich genervt durch, weil, da stört mich alles extrem. Dann kommt eine Bekannte und stoppt mich: „Hallo Coyote … und blah, blah …“ wie automatisch fällt mein Blick entweder auf einen Kettenanhänger von ihr oder Blusenknopf. Darauf starre ich so intensiv, dass alles, wirklich alles in den Hintergrund gerät. Auch das Gespräch! Irgendwann folgt der Satz meiner Gesprächspartnerin: „Tja und nun?“ Da die anderen Leute meistens negatives erzählen, liegt meine Antwort schon parat, obwohl ich nur Gesprächsfetzen mitbekam: „So ist es eben, kannst nichts machen.“ Ich bin dann in so einer Situation verwirrt, genervt, will weg.
Ach, übrigens. Ich habe Tanja zu Beginn des Gesprächs ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber gegeben mit der Bitte, mich erst erzählen zu lassen, mich bei Fragen nicht mit Worten zu unterbrechen, sondern vielleicht ein kleines Handzeichen für „Stopp“ geben solle, um sich dann Notizen zu machen, die sie am Schluss nachfragen könne. Deshalb, weil ich immer sofort aus dem Takt komme, also den Faden verliere und anschließend deshalb nur noch herumstottere. Das war für sie okay.
Während des Gesprächs nahm ich ihr (unbewusst) den Schreiber und das Papier langsam aber sicher weg – heißt, beim Reden schob ich es immer mehr zu mir, bis dies vor mir lag und ich (unbewusst) darauf herumkrickelte. Dies mache ich auch immer bei Telefonaten. Bei längeren Gesprächen habe ich schon mal zwei DIN-A4 Seiten mit irgendwelchen sinnlosen Symbolen vollgekritzelt.
Jedenfalls sind meine Zweifel zu Autismus jetzt größer wie vorher.
Ich strebe nicht unbedingt eine offizielle Diagnose an, weil ich nicht weiß, wie und wo es dann registriert ist und wer es abrufen kann. Könnte es ein Arbeitgeber? Wie sieht es mit den Versicherungen aus? Haus- Hunde- Haftpflichtversicherung ist sehr wichtig. Was kann da alles auf mich zukommen und wer hat Zugang? Steht es unter Schweigepflicht? Wird die eingehalten? Angenommen, ich lasse mich mal scheiden (hoffe nicht), ziehe ich dann den Kürzeren? Bin ich dann wieder die Dumme, die blöd dasteht?
Meiner Tante damals haben sie (meine Eltern) alles genommen, was man einem Menschen nur nehmen kann, nicht nur materiell (brauchten ihre Räumlichkeiten für meinen lieben Bruder), sondern auch wurde ihr sämtliche Würde genommen. War so um das Jahr 1970, wo man sie in ein Pflegeheim abschob. Auf die Frage von mir, was mit ihr war, sagte man nur: „Die war bekloppt.“
Sinn gebe eine Diagnose, wenn man zum Wehrdienst aufgefordert wird oder eine viell. Hilfe benötigt. Ich denke in letzter Zeit über Nach- und Vorteile einer Diagnose nach.
Mir würde es genügen, wenn ich es für mich selbst weiß. So zu sagen, als Identitätssuche, um zu wissen, `daher also all diese komischen Sachen, woraus ich mir nie einen Reim machen konnte. Damit ich mich nicht mehr so viel wundere. Damit ich z.B. weiß, warum ich ewig mit Ohrenstopfer herumlaufe (auch im Haus), weil mir alles zu laut ist. Warum etwas ekelig stinkt, was andere nicht so riechen. Warum ich lieber zu spät zur Arbeit komme, weil ich nicht in einen übervollen Bus einsteigen kann. Wirklich nicht kann - bringe ich nicht über mich, auch nur eine Minute da zu stehen, wenn vor, neben und hinter mir Leute nur Zentimeter entfernt sind. Ich weiß, dass all dies auch auf Menschen mit anderen Diagnosen als Autismus zutrifft, deshalb ist es auch verdammt schwer, es rauszukriegen.
Tanja bringt nächstes Mal, so in zwei Wochen einen Fragebogen über ADHS mit, den ich wohl ausfüllen möchte. Jedoch, werden da wohl Dinge gefragt, die wohl in Richtung ADHS gehen und so würde ich mir selbst anschließend eher diese Diagnose geben. Fülle ich einen Fragebogen auch über Autismus aus, würde es wahrscheinlich genauso gut passen.
Tanja fragte mich auch, ob ich leicht aufbrausend sei, das hätte sie bei mir zwar noch nicht bemerkt, aber wer weiß – wenn ich so von zu Hause berichte, könne es ja sein, mit den ganzen Problemen dort.
Aber da stecke ich immer zurück. Macht mir auch nicht viel aus. Also nicht so, dass ich mir alles bieten lasse, aber ich schreie nicht rum, wie damals meine Mutter, flippe auch nicht aus.
Schmeiße auch nicht vor Wut alles in den Garten, wie mein Mann es gestern gemacht hat.
Ich gehe dann hin und sammel alles wieder auf. Ihn zu fragen, warum er die Wutausbrüche bekommt und so was macht, habe ich mir schon abgewöhnt, das führt zu nichts.
Er knallt öfter mal die Tür, nicht ich. Ich ziehe mich da eher zurück. Ich bekomme auch Angst, wenn jemand aggressiv reagiert. Die Muskelkrankheit meines Mannes greift auch das Nervensystem an und unsere „schönen“ Jahre sind wohl vorbei.
Übrigens: Ich habe mich gefreut, diesmal mit einem Geschenk für Tanja (weil sie sich die Zeit nahm) nicht daneben zu liegen. Meistens überreiche ich Dinge, die nicht so recht auf die Person zugeschnitten sind. Diesmal Volltreffer!
Ach, was mir einfällt, vielleicht auch Diagnosekriterien: ein ehemaliger Arbeitskollege meines Mannes kam zu Besuch und war Raucher. Wir sind es nicht und sind auch nicht drauf eingestellt. Ich fand einen Pokal von meinem Sohn (vom Boxen), den man öffnen konnte. Ich stellte unserem Besucher dann diesen Pokal als Aschenbecher hin.
Mein Mann und mein Sohn wundert ja nichts mehr, aber der Kollege war wohl irritiert.
Mit irgendwelchen Schickschnack, was andere so haben, kann ich nichts anfangen, frage mich immer, wozu das gut sein soll und wofür ich es benutzen kann.
Bei mir steht also nichts als „Zierde“ herum. Gut, ist bei vielen Leuten auch so ….
Umso mehr ich nachdenke, umso unsicherer werde ich. Ich habe keine Bücher über Autismus gelesen, oder ADHS oder anderes, weiß nur, was ich hier und dort aus dem Internet lese, hab ein paar Test daraus gemacht und was ich hier im Forum so lese.
Ach, ich weiß auch nicht …. (wieder so viel geschrieben)
Gesellschaftsfähig sein heißt, seine Individualität aufzugeben, um der Herde zu folgen.(H.M.)
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