Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 
Autor Nachricht
Katz007
(stillgelegt)

Hallo,

ich dachte mir ich eröffne mal einen Thread zum Thema Bücher. Interessante Bücher könnte man ja hier hereinposten (also den Titel, nicht die Bücher lachen )

Folgt dann nochmal was, irgendwie muß ich wohl erstmal überlegen...

Was lest ihr so?

Gruß Ralf
23.07.06, 12:10:40
Link
bellaria
(Angehörigenbereich)

Also ich lese im Sommer bei dieser Hitze am liebsten leichte Kost, am ehesten Krimis. Wenn sie gut geschrieben und voll schwarzen Humors sind, umso besser. Heuer habe ich einen Landsmann von mir entdeckt: Wolf Haas. Buchtitel: "Der Knochenmann" und "Komm, süßer Tod" . Letzteres gibts auch verfilmt mit dem österreichischen Kabarettisten Josef Hader, hab ich aber nicht gesehen.
23.07.06, 12:14:45
Link
Wursthans
(stillgelegt)

Ich habe mir bei Gelegenheit mal wieder ein billiges Buch im modernen Antiquariat gekauft das auf mich einen ersten interessanten Eindruck machte: "Zen und die Kunst einen Elefanten zu führen" von Stanley Bing.

Es war sehr billig und ich vermute, daß der Autor von Zen so gut wie keinerlei Ahnung besitzt. Es enthält allerdings Passagen wie diese:

Zitat:
Hier ist der Elefant. Dort ist die Aufgabe. Die Aufgabe muß erfüllt werden. Keine Angst treibt uns an. Kein Verlangen beflügelt uns. Aber die Sache muss erledigt werden. Und wenn wir sie erledigen ist sie erledigt.


In Anlehnung an Lisa M.s Bemerkung woanders im Forum hört sich das für mich nach einem "Zen nach Auschwitz" an. Es hört sich eigentlich überhaupt nicht nach Zen an.

Es finden sich darin ebenso Zitate:

Zitat:
Ein wahrer Pazifist ist jemand, der einen anderen im Bruchteil einer Sekunde töten oder verstümmeln kann, sich aber unmittelbar vor der Vernichtung des Feindes für Gewaltlosigkeit entscheidet.

Yukiyoshi Takamura

Was die Frage aufwirft ob ein wahrer Pazifist tatsächlich Feinde haben muß. Das erinnert mich an manche Argumentationen in diesem Thread.

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
23.07.06, 14:35:53
Link
Lisa M.
(Standard)

Bei mir türmen sich mal wieder die angefangenen Bücher auf der Couch. Gestern ist es mir seit längerer Zeit das erste Mal passiert, dass ich ein Buch an einem Tag durchgelesen habe, ohne überhaupt groß Pausen dabei zu machen. Das kam so:

Am Freitag war ich in der Bibliothek. Dort gab es übrigens eine Klimaanlage! Ich wollte mir eigentlich hauptsächlich Zeugs aus der Ecke über Ernährungswissenschaften und so abschleppen, weil ich ganz sicher gehen wollte, dass ich auch genügend darüber da habe, um mir mal 'ne Zusammenfassung zu schreiben, was man eigentlich so alles futtern sollte, um genügend Ausgangsmaterial im Körper zu haben für all diese Neurotransmitter, die man so braucht. Ich bin nämlich seit längerem schon der Ansicht, dass man z.B. bei Dopaminmangel als erstes mal überprüfen sollte, ob nicht irgendein Mangel an den dafür benötigten Nährstoffen da sein könnte. Sowas wird ja leider beim Arzt nicht durch Laboruntersuchungen mal routinemäßig gecheckt, obwohl sie das könnten! Und es gäbe eine Menge Ursachen, weshalb jemand etwas dauerhaft nicht so gut aufnimmt. (Ohjeh, das wird schon wieder ein Exkurs...)

Also jedenfalls verlief ich mich auch noch ein bisschen zwischen den Regalen, auch aus Neugier, und mein Blick fiel plötzlich auf ein Buch mit dem faszinierenden Titel: "Auf den inneren Arzt hören". Richtig, dachte ich mir, das sollte man tun. Ich zog es raus und stellte fest, dass der Untertitel "Eine Einführung in die Craniosacral-Arbeit" eigentlich nicht nach etwas klang, worüber ich Näheres wissen muss. Dachte mir, dieser "Plopp-Effekt", mit dem es meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, bezog sich wohl nur auf den Titel und wollte es wieder ins Regal stellen. Ging nicht! Ich hing sozusagen an dem Buch fest. Also nahm ich es mit. Natürlich hab ich mich in der Bibliothek mal wieder gründlich vertrödelt, dadurch die Meditation versäumt und dann hatte der Bus, mit dem ich nach Hause fuhr, einen Unfall. Ein Wagen kam ohne anzuhalten zügig aus einer Seitenstraße geschossen, und der Busfahrer konnte noch links rüberziehen, aber nicht mehr bremsen, und fuhr eine fette Kerbe in die Motorhaube des anderen Wagens, direkt hinter der Fahrertür. Wenn er nicht links rübergezogen hätte, wäre der Fahrer garantiert verletzt worden! So war nur ich es, die durch den Aufprall auf den Gang des Busses geschmissen wurde. Es war alles wie in Zeitlupe, und dadurch kam es mir so vor, als sei ich halt nur hingepurzelt und hätte mir den Ellbogen ein bisschen angeschürft. Nachdem ich eine Weile ruhig gesessen hatte (wir warteten auf die Polizei) und dann wieder aufstand, merkte ich schon, dass der Ellbogen nicht mehr weh tat, nun aber die Hüfte. Meine Füße hatten sich wohl ein bisschen verhakt und das Bein war dadurch verdreht worden im Hüftgelenk. War aber alles nicht so schlimm, und ich gab es der Polizei vorsichtshalber zu Protokoll, hatte aber keine Lust, zum Dok zu gehen.

Nachts hatte ich dann einen komischen Traum, in dem ich unter einer Brücke war, und irgendwelche Leute hatten da aus Aggression irgendwelche Teile abmontiert. Morgens kam mein Freund, weckte mich aus diesem Traum und ich war furchtbar schlecht gelaunt und verpennt, weil ich geweckt worden war. Das ist bei mir ungewöhnlich, weil ich morgens um 6 sonst einen leichten Schlaf habe und mich ganz gern wecken lasse, falls ich nicht ohnehin wach bin. Zu dem Traum und meiner Geschichte mit dem Unfall meinte er spontan, diese Brücke sei meine Wirbelsäule gewesen. Die Stimmung in dem Traum war halt auch dieselbe wie bei dem Unfall gewesen.

Ich fing dann an, in dem Buch zu lesen, und es handelte genau von der Wirbelsäule. Konkret von der Flüssigkeit, die das Rückenmark umgibt, und die dieselbe ist, in der auch das Gehirn schwimmt. Tatsächlich fühlte sich dieses komische Gefühl im Rücken, mit dem ich schon aufgewacht war, an wie eine "Gehirnerschütterung im Rücken". Der Autor (John E. Upledger) ist Arzt und hatte bei einer OP entdeckt, dass sich diese Flüssigkeit rhythmisch bewegt, und zwar weder mit dem Puls noch mit der Atmung, sondern in einem eigenen Rhythmus. Durch diesen Zufall war er dazu gekommen, an einem Seminar über "craniale Osteopathie" teilzunehmen und hatte schließlich eigene Behandlungsmethoden entwickelt. U.a. hatte er wohl große Erfolge bei einigen Kindern mit Lernschwierigkeiten und dergleichen. Zwischendrin tat ich auch noch was für meinen "gebeutelten" Rücken, wobei mir die Ansätze aus dem Buch eine gute Anregung waren. Meinem Rücken geht's übrigens heute wieder prima, der wollte mir anscheinend wirklich nur das Vorhandensein dieser Flüssigkeit demonstrieren!

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
23.07.06, 16:27:45
Link
Katz007
(stillgelegt)

geändert von: Katz007 - 23.07.06, 19:19:13

Hm komisch, so langsam entdecke ich wohl erst meine Leseleidenschaft. Muss sagen das ich so bis vor 2 Jahren kein einziges Buch gelesen habe. Dann speziell ein paar ADS Bücher, so langsam wächst aber auch das Interesse an anderen Dingen. Nun ja, wahrscheinlich liegt's an meiner ADS Medikation das ich konzentrierter bin und motivierter...

Habe mir gerade ein Buch über Lesetechniken angeeignet (Titel: Garantiert erfolgreich lernen. Wie Sie Ihre Lese- und Lernfähigkeit steigern) und folgendes Buch:
"Die blinde Frau, die sehen kann. Rätselhafte Phänomene unseres Bewustseins."

Wie ist das denn eigentlich so bei euch mit dem Lesen, habe oft das Gefühl das sich ein Text bei mir erst mal ein wenig setzen muß, das ich also den Inhalt nicht direkt "parat" habe sondern solche Dinge z.B. nachts im Traum aufarbeite. Ansonsten habe ich wohl oft das Gefühl eine gelesene Seite nicht wirklich zusammenfassen zu können und das das Lesen eher rein manuell abläuft und später eben nochmal aufgearbeitet wird. Könnt ihr euch vorstellen was ich meine? (vielleicht ganz normal?)

Gruß
23.07.06, 19:09:51
Link
Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Ansonsten habe ich wohl oft das Gefühl eine gelesene Seite nicht wirklich zusammenfassen zu können und das das Lesen eher rein manuell abläuft und später eben nochmal aufgearbeitet wird.


Das passiert bei mir, wenn ein Text ein bisschen schwierig ist, und hat sich erst im Studium entwickelt. Seitdem ist es mir aber geblieben, was vielleicht daran liegt, dass ich seitdem auch schwierigere Texte lese. Eigenartig finde ich, dass so ein Effekt, nur noch "manuell" zu lesen - also automatisch mit den Augen die Buchstaben abzufahren und den Inhalt nicht mehr aufzunehmen - auch bei Texten passiert, wo ich gar nicht so klar sagen kann, was ich daran schwer verständlich finde. Ich lese mir dann einen Satz durch und frage mich, was zum Kuckuck daran schwer zu verstehen sein soll. (Eventuell) Keine Fremdwörter zu finden, die ich nicht kenne, und "rein manuell" ist der Satz verständlich. Nur fehlt dann wohl sowas wie eine Vorstellung von dem, was da steht.

Möglicherweise ganz extrem begegnet ist mir so ein Effekt erstmals, als mir so etwa mit 14 eine Freundin ein Buch unter die Nase hielt, von dem sie ganz begeistert war. Es hieß "Haben oder Sein" und ich verstand noch nicht mal den Titel! So richtig rein gar nicht, obwohl ich doch gut in der Schule war und nach Ansicht meine Lehrer Klassenbeste hätte sein können, wenn ich nur gewollt hätte. Und dann sowas! Sie war ein Jahr jünger als ich und hatte auch keine besseren Noten, warum kriegte sie nicht auch beim bloßen Anblick des Titels schon das Bedürfnis, aus dem Raum zu rennen?

Später, als ich mir wegen meines Scheiterns im Studium Gedanken machte, was denn bloß mit mir nicht stimmt, fiel mir diese damals schockierende Erfahrung wieder ein. Ich kam zu dem Schluss, dass ich Schwierigkeiten hätte mit dem Abstrakten und die Ebene des Konkreten brauche, um das Gefühl zu haben, etwas zu verstehen. In vielen Texten, die ich für die Uni lesen musste, war das auch echt der Grund, ständig den Lesevorgang zu unterbrechen und erstmal nachzudenken über das, was ich gelesen habe: Ich musste mir das ins Konkrete "übersetzen", Beispiele dafür finden oder mir eine bildliche Vorstellung davon machen. Wenn ich das nicht getan habe (z.B., weil es so langsam ist und die Texte so lang waren), ertappte ich mich irgendwann dabei, wie meine Augen den Text abfuhren, während ich gleichzeitig im Kopf den Einkaufszettel zusammenstellte.

Allerdings kommt es mir so vor, als ob ich "rein Abstraktes" sehr gut verstehen kann. Man kann ja schließlich nicht behaupten, dass Mathematik nicht abstrakt ist. Nur für die Verbindung zwischen beidem scheine ich mehr geistigen Aufwand zu betreiben als andere Leute. Und ich hatte auch öfter mal im Studium den Eindruck, dass viele es gar nicht erst versuchen und einfach ohne den "Umweg", es wieder mit dem Konkreten zu verbinden, eine Theorie lernen können. Da geht dann aber bei mir einfach nichts rein in den Kopf!

Damals habe ich das auf meine mehr oder weniger proletarische Herkunft zurückgeführt. Meine Mutter kam aus einer Arbeiterfamilie, mein Vater war Handwerker - da ist man einfach nicht so mit abstraktem Denken aufgewachsen wie Kinder aus Akademikerfamilien. Ich war auch ziemlich sauer über diese strukturelle Benachteiligung von Arbeiterkindern an den Unis, weil ich wusste, dass ich intelligent genug bin an sich.

Dann fand ich es in der letzten Zeit sehr interessant, dass es da irgendein Problem geben soll mit dem Abstrakten bei Autisten. Ich weiß nicht, ob das schon richtig verstanden wurde und ob ich es für mich schon richtig verstanden habe, worin das Problem besteht. Ich versuche es mal an diesem rätselhaften Titel "Haben oder Sein":

Zunächst mal schien mir das eine Frage zu sein, aber es kam kein Fragezeichen. War das dann doch keine Frage? Was dann?

Zweitens sind "haben" und "sein" Tätigkeitswörter, und es irritierte mich, dass Sein hier großgeschrieben wurde. (Es ist nicht so, dass mir substantivierte Verben unbekannt waren, und ich glaube, mittlerweile verwende ich selbst gelegentlich welche. Aber lange Zeit hatte ich eine Abneigung gegen sie und war immer irritiert, wenn welche vorkamen. Heute weiß ich manchmal nicht so genau, wann etwas ein substantiviertes Verb ist und wann nicht, z.B. "beim Lesen" - ist das richtig, dass man lesen da groß schreiben muss? Wenn ich das denke, ist es immer noch eine Tätigkeit und kein Subjekt...).

Drittens, und wohl am wichtigsten: "haben" und "sein" finden normalerweise in einem Kontext statt wie z.B. "ein Fahrrad haben" oder "krank sein". Ohne jeden Kontext fehlte mir der Hinweis darauf, worum es geht. Als einzeln stehende Wörter schienen sie überhaupt keine Bedeutung zu haben... Deshalb war das für mich echt so, als ob ich auf chinesische Schriftzeichen starre, oder auf eine gänzlich bedeutungslose Auflistung von Wörtern, die nicht zusammengehören.

Ich glaube, aus diesem Beispiel kann man sehen, wieso eine so geringfügig andere Denkweise gar nicht auffällt, so lange man es nur mit "ganz gewöhnlichen" Texten zu tun hat. Beim Lesen akademischer Texte insbesondere aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich muss man aber ständig im Kopf erstmal irgendwas arbeiten, um sich den Text verständlich zu machen. Naturwissenschaften sind in dieser Hinsicht erheblich einfacher.

Dann nochmal zu deiner Frage, was wir an Lektüre grade so empfehlen können: "Ein neuer Tag" von Barry Neil Kaufman habe ich mit Begeisterung gelesen. Es ist ein autobiografischer Bericht eines Vaters eines autistischen Jungen. Die Eltern (beide sehr gebildet) haben die Therapie ihres Sohnes selbst in die Hand genommen, nachdem sie keine ausreichende ärztliche Hilfe kriegten. Es ist sehr beeindruckend, sowohl von den Ansätzen her, die sie selbst entwickelt haben, als auch von der Darstellung und Einstellung her, die er über seinen Sohn vermittelt. Sie sind halt davon ausgegangen, dass er zum sozialen Kontakt auch eine ausreichende Motivation braucht, und dass er die nicht kriegt, wenn die Familie an ihm leidet und seinen Autismus "bekämpft". Grundlage der Therapie war also, glücklich mit ihm zu sein (und dafür an der eigenen Einstellung zu arbeiten) und ihn den Kontakt zur Familie und auch zu anderen als etwas Freudvolles erleben zu lassen. Lernen können wir, glaube ich, weniger aus dem "Programm" für den anfangs schwer autistischen Sohn als aus dem Selbsthilfe-Programm für die Eltern...

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
25.07.06, 13:58:16
Link
Wursthans
(stillgelegt)

Ich denke auch, daß ich rein Abstraktes gut verstehe und dann Probleme bekomme wenn es "besser verständlich" aufbereitet oder logisch inkonsequent und schlampig erklärt wird. Wenn letzteres der Fall ist habe ich oft das Gefühl erst verstehen zu müssen wie der Autor denn denkt bevor ich tatsächlichen Zugang zu seiner Aussage bekomme. Wie erleben das wohl Nichtautisten?

Deine Ausführung zu "Haben oder Sein" finde ich persönlich amüsant, weil es für mich zu den verständlichsten Büchern gehört die ich je gelesen habe. lachen

Aber das ist vieleicht interessensbedingt?

Zitat:
Ich versuche es mal an diesem rätselhaften Titel "Haben oder Sein":

Zunächst mal schien mir das eine Frage zu sein, aber es kam kein Fragezeichen. War das dann doch keine Frage? Was dann?


Wieso sollte das eine Frage sein? Haben ist außen und Sein ist innen. Das Buch beschäftigt sich mit diesen beiden Alternativen.

Zitat:
Zweitens sind "haben" und "sein" Tätigkeitswörter, und es irritierte mich, dass Sein hier großgeschrieben wurde.

Zitat:
Drittens, und wohl am wichtigsten: "haben" und "sein" finden normalerweise in einem Kontext statt wie z.B. "ein Fahrrad haben" oder "krank sein". Ohne jeden Kontext fehlte mir der Hinweis darauf, worum es geht. Als einzeln stehende Wörter schienen sie überhaupt keine Bedeutung zu haben...


Das hat dann wohl mehr mir dir zu tun, wenn du ein Element der allgemeinen Sprache nicht magst. Das Sein ist ein fester (besonders philosophischer) Begriff so wie das Dasein (Z.B.: Er fristet ein Dasein). Das Haben ist nicht so üblich und wurde von dem Autor bewußt abgeleitet und seine Botschaft griffig zu transportieren.

Zitat:
Naturwissenschaften sind in dieser Hinsicht erheblich einfacher.


Das bezweifle ich. freuen

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
25.07.06, 15:03:02
Link
Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Ich denke auch, daß ich rein Abstraktes gut verstehe und dann Probleme bekomme wenn es "besser verständlich" aufbereitet oder logisch inkonsequent und schlampig erklärt wird.


Da habe ich einen Unterschied zwischen mir und vielen anderen festgestellt in Bezug auf Computerkram. Es hat mich z.B. oft furchtbar gestresst und ich habe nicht viel verstanden, wenn mir jemand was erklärt hat, aber ich konnte mir gut Neues aneignen mit Hilfe von Büchern. Ziemlich schnell hatte ich jedoch eine Abneigung gegen Bücher, die es ausdrücklich für Anfänger angeblich leicht machen sollten. Die vermeiden oft Fachbegriffe und man hat dann die Mühe, sich durch weitschweifige Umschreibungen zu quälen, oder die Seiten sind voll mit Bildschirmfotos von Menüpunkten, die man sich auch direkt am Bildschirm anschauen könnte, wenn sie einem einfach sagen, wie man da hin kommt (ich bevorzuge Kurzfassungen wie "Datei - öffnen". Als ich mal an der Uni einen kleinen Html-Kurs gegeben habe (nach der Methode "Projektorientierter Unterricht. Lief super!), haben mich die Teilnehmer, die allesamt ziemliche Computer-Anfänger waren, damit überrascht, dass sie offenbar nicht in der Lage waren, schriftliche Arbeitsanweisungen korrekt auszuführen. Es ging echt gleich damit los, dass sie mein Arbeitsblatt unbeachtet liegen ließen und an allen Computern gleichzeitig hilflos nach mir zu piepen begannen... Du meine Güte, hatte ich da ein Gerenne!

Für mich waren die schriftlichen Erklärungen zu Objektorientiertem Programmieren unverständlich. Da stand was von Katzen und Fischen im Teich. Als ich dann mit Delphi angefangen hab, hab ich das ganze Konzept und wozu es gut ist auf einmal verstanden, nachdem ich den ersten Button auf der zukünftigen Programmoberfläche abgeschmissen hatte und durch Doppelklick darauf im Editor einen Rumpf für den Quelltext erzeugt hatte. Das gab nur ein "Ach sooo!"

Zitat:
Deine Ausführung zu "Haben oder Sein" finde ich persönlich amüsant, weil es für mich zu den verständlichsten Büchern gehört die ich je gelesen habe.


Ich hab's ja nicht gelesen. Würdest du dich an ein Buch wagen, das es schafft, einen nur aus drei bislang harmlos erscheinenden Worten einen unverständlichen Titel zu produzieren? lachen

Zitat:
Aber das ist vieleicht interessensbedingt?


Philosophische Fragen interessieren mich an sich. Aber vielleicht war das in meiner Jugend anders? Der Werte-und-Normen-Unterricht begann damit, dass wir einen Text von einem alten Griechen lesen mussten, der die Sklaverei zur natürlichen Ordnung erklärte. Ich verstand nicht, warum wir uns mit solchem Quatsch befassen sollen. Ich fürchte, dass ich dieses Fach von da an wegen Abschalten versäumt habe, denn ich erinnere mich nur an diese eine Stunde und daran, dass ich sie mit einem Zustand total beleidigter Verweigerung beendete. Es kommt mir so vor, als hätten echt keine weiteren Stunden stattgefunden (was mehr ist als sich nur nicht mehr an den Inhalt erinnern zu können).

Mit den Naturwissenschaften gab es aber auch manchmal Probleme, und die waren wieder philosophischer Art. Ich war ähnlich empört, als unser Biolehrer reinkam und verkündete, der Mensch sei eine "genetische Vervielfältigungsmaschine".

Zitat:
Wieso sollte das eine Frage sein? Haben ist außen und Sein ist innen.


Weil ein "oder" dazwischensteht! lachen Das ist genauso, wie wenn jemand sagt "Sekt oder Selters?" - der hat dann auch eine Frage, nämlich ob ich Sekt will oder Selters. lachen

Außerdem ist Sein auch außen. Der Mond ist, die Sonne ist, und all das nette Gesprüns auf Erden ist auch. freuen Besitzen tue ich von dem, was da draußen ist, nur wenig... Ich hab übrigens mal spaßeshalber vor vielen Jahren das Wort "Sein" im Schülerlexikon Philosophie nachgeschlagen, und das hat meine Vorurteile gegen die Philosophie voll bestätigt. Zu dem Zeitpunkt war mir schon völlig klar, was "sein" ohne Beiwort bedeutet, aber die schaffen es echt, seitenweise Text dazu zu schreiben, der kaum Fremdworte enthält, aber trotzdem völlig unverständlich ist.

Irgendwann hab ich aber mal "Sophies Welt" gelesen und war begeistert! Diese Philosophen hatten doch tatsächlich in Wirklichkeit nur dieselben "dummen" Fragen wie ich auch, sie haben sich nur unverständlich ausgedrückt. Und noch später waren meine liebsten Gesprächspartner junge Philosophiestudenten und solche, die es werden wollten. Ich war auch mal hellauf begeistert, als ich im Rahmen eines Jobs im Bereich Umweltbildung an einer Fortbildung teilnehmen durfte, bei der es u.a. eine Veranstaltung zum Thema "Philosophieren mit Kindern" gab. Es war die schönste Veranstaltung der ganzen Tagung! Nun frage ich mich, ob vielleicht irgendwo "Philosophiekurse für Kinder" für Erwachsene angeboten werden... cool

Zitat:
Das Sein ist ein fester (besonders philosophischer) Begriff


Hey, ich schrieb, dass ich 14 war damals! Und das "geistige Erwachsenwerden" fand bei mir nicht an so abgehobenen Fragen statt, sondern da hab ich eher ein Wochenendseminar der Landjugend zum Thema Umweltschutz (Studie "Global 2000") in positiver Erinnerung, Friedensdemonstrationen und Bücher wie die von Günther Wallraff und Bernt Engelmann. Hm, vielleicht hat das doch alles mehr mit Interessen zu tun und mit der halbwegs proletarischen Herkunft...

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
25.07.06, 20:24:06
Link
Wursthans
(stillgelegt)

geändert von: Wursthans - 25.07.06, 21:25:44

Zitat von Lisa M.:
haben mich die Teilnehmer, die allesamt ziemliche Computer-Anfänger waren, damit überrascht, dass sie offenbar nicht in der Lage waren, schriftliche Arbeitsanweisungen korrekt auszuführen.


Sowas erstaunt mich auch manchmal. Bei manchen Computerbüchern habe ich mich schon manchmal gefragt wozu diese vielen Seiten guts ein sollen, wenn es auch einfach eine Liste mit Syntaxbeispielen und vielleicht noch Effektbeispielen tun würde.

Zitat:
Ich hab's ja nicht gelesen. Würdest du dich an ein Buch wagen, das es schafft, einen nur aus drei bislang harmlos erscheinenden Worten einen unverständlichen Titel zu produzieren?


Ja, diese Bücher lese ich am liebsten. Ich gebe zu, daß ich denTitel anfangs auch nicht verstanden hatte was das "Haben" angeht. Als ich es gelesen hatte war das nicht mehr so. lachen

Zitat:
Der Werte-und-Normen-Unterricht begann damit, dass wir einen Text von einem alten Griechen lesen mussten, der die Sklaverei zur natürlichen Ordnung erklärte. Ich verstand nicht, warum wir uns mit solchem Quatsch befassen sollen.


Um zu erkennen wie kulturell relativ solche Ansichten sind schätze ich. Dir hätte man das vielleicht klarer sagen sollen. Und es ist nicht so, daß ich nicht auch ähnliche Probleme in der Schule hatte.

Zitat:
Weil ein "oder" dazwischensteht! lachen Das ist genauso, wie wenn jemand sagt "Sekt oder Selters?"


Es kann auch eine Antwort sein. Frage: "Was gibt es dort?" Antwort: "Sekt oder Selters."

Zitat:
Außerdem ist Sein auch außen.


Meins nicht.

Zitat:
aber die schaffen es echt, seitenweise Text dazu zu schreiben, der kaum Fremdworte enthält, aber trotzdem völlig unverständlich ist.


Das kommt sehr darauf an nach meiner Erfahrung.

Zitat:
Irgendwann hab ich aber mal "Sophies Welt" gelesen und war begeistert!


Das Buch mag ich wieder nicht.

Zitat:
Nun frage ich mich, ob vielleicht irgendwo "Philosophiekurse für Kinder" für Erwachsene angeboten werden...


Nach meiner Erfahrung ist Licht und Schatten im Bereich der Philosophie sehr breit gestreut. freuen

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
25.07.06, 21:25:00
Link
Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Um zu erkennen wie kulturell relativ solche Ansichten sind schätze ich.


Volltreffer. Der Lehrer erklärte das zum Schluss, kurz vor dem Pausenzeichen. Ich fragte mich, wieso wir dazu solchen Stuss lesen müssen und war endgültig beleidigt. Außerdem war ich wohl nicht der Ansicht, dass irgendwelche Wahrheiten relativ sein könnten. Kann sein, dass da die zeitliche Reihenfolge nicht stimmt, aber irgendwann in meiner Jugend hab ich mal den Film "Spartacus" gesehen, und der war wohl auch schon damals nicht der Ansicht, dass Sklaverei was Tolles ist. Spartacus war mir sympathisch. lachen

Mit den "relativen Wahrheiten" stand ich noch zu meiner Studienzeit auf Kriegsfuß, und ich hab erst mit 28 Jahren zu studieren begonnen. Dauernd hab ich mich drüber aufgeregt, warum einem der eine Prof dies erzählt und der andere das. Ich wurde schon leicht hysterisch und verlangte danach, dass mir jetzt endlich mal jemand sagt, wie es *wirklich* ist.

Mittlerweile hab ich das mit den verschiedenen Sichtweisen kapiert und finde es enorm beruhigend, wenn man sich erstmal damit abgefunden und begriffen hat, wie Menschen aus dem Chaos, das sie umgibt, sich tatsächlich ihre Ordnung in langen historischen Prozessen erst selbst erschaffen.

Zitat:
Zitat:
Außerdem ist Sein auch außen.

Meins nicht.


Das Sein ist doch nicht nur dein Sein. Sein ist für uns alle da!

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
25.07.06, 22:44:18
Link
Gehe zu:
Technische Rechte (vorbehaltlich seperater moderativer Einschränkungen):

Es ist dir nicht erlaubt, neue Beiträge zu schreiben.
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu erstellen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu löschen.


HTML Code ist AUS
Board Code ist AN
Smilies sind AN
Umfragen sind AN

Benutzer in diesem Thema
Es lesen 1 Gäste und folgende Benutzer dieses Thema:

Ähnliche Themen
Thema Antworten Hits Letzter Beitrag
Gehe zum ersten neuen Beitrag Autismus und Bücher
18 17120
26.07.06, 11:00:07
Gehe zum letzten Beitrag von Lisa M.
Archiv
Ausführzeit: 0.0249 sec. DB-Abfragen: 15
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder