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Autor Nachricht
Jutta
(Angehörigenbereich)

Zu Beginn unserer Beziehung war ein besonders großes Problem, die Kommunikation ( passiert manchmal auch heute noch).
Mein Mann war überhaupt nicht in der Lage zwischen den Zeilen zu lesen. Ich musste es "genau" so sagen wie ich es meinte.
Beispiel:
Ich beschwerte mich einmal , dass er mir im Haushalt nie zur Hand gehen würde - es geschah nichts. Mit der Zeit kochte ich richtig , wurde immer ärgerlicher und fing einen richtigen Streit an, schimpfte wie ein HB Männchen um ihn herum und er sah mich nur ,absolut ohne Reaktion( ich habe da noch nicht gewußt , dass er keine Reaktionen in seinem Gesicht zeigen konnte) an.Irgendwann habe ich geheult - und endlich fragte er:" Was willst du eigentlich von mir?" Ich habe ihn angestaunt wie einen Ausserirdischen, ich hatte es doch deutlich gesagt ??????
Das Problem war, er wartete darauf - was er denn erledigen - sollte. Nachdem ich ihm erklärte , dass er doch auch mal den Müll runterbringen könnte, machte er das fortan IMMER. Immer am selben Tag, zur selben Zeit mit dem selben Ablauf.
Ich musste also lernen nicht wie eine Frau Signale und Metapher zu benutzen, sondern ganz einfach das Kind beim Namen nennen.
Das war gar nicht so leicht

LG Jutta
18.10.06, 09:04:12
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Lisa M.
(Standard)

geändert von: Lisa M. - 18.10.06, 10:14:59

Es ist wohl die Extremversion des Problems, das Männer und Frauen eh miteinander haben...

Zitat:
Nachdem ich ihm erklärte , dass er doch auch mal den Müll runterbringen könnte, machte er das fortan IMMER.


Das erinnert mich daran, was geschah, nachdem mein Freund endlich registriert hatte, dass er seinen Müll bei mir selbst wegräumen soll, bevor er geht. Er hat ja keinen Schlafrhythmus... Außer vielleicht dem, meist so gegen Morgen ins Bett zu gehen (vielleicht aber auch nicht). Also wachte ich dann nachts zwischen drei und vier davon auf, dass er anfing, mein Zimmer aufzuräumen, *bevor er geht*.

Seitdem spätestens weiß ich, dass die üblichen "Kampfmittel" der Frauen gegen die Vermüllung des Haushalts durch männliche Wesen bei uns einfach nicht anwendbar sind. Wir können die meiste Zeit in Frieden leben, wenn ich den Müll selbst wegräume, wenn er mich stört, und ihm sage, dass er ihn *jetzt* wegräumen soll, wenn ich die Nase voll davon hab, es selbst zu tun. Und er hilft dann dafür bei anderen Sachen. Und immer öfter denkt er auch selbst an den Müll, und sogar nicht mehr grade dann, wenn ich schlafen will.

Was das mit der Kommunikation angeht, standen wir noch vor einem anderen Problem: Er braucht die Ansagen auch sehr direkt, und ist auch selbst sehr direkt. Ich stolperte dadurch erstmals so richtig über mein eigenes Problem: Dass ich oftmals geradezu sowas wie 'ne Phobie davor habe, Wünsche und Bedürfnisse direkt zu äußern. Es kam dann schon vor, dass er nach bestimmten Sachen sogar fragte und ich völlig gelähmt und sprachunfähig da saß, obwohl klar ist, dass er so ziemlich der letzte ist, der einem für irgendwas den Kopf abreißen würde, wenn man sagt, was man will. Konnte wohl dazu sagen, dass es eigentlich schon immer so war bei mir... Es ist durch das Schreiben viel besser geworden, weil ich diese Probleme schriftlich nicht so habe und man dann schriftlich erstmal "das Eis brechen" kann. Wenn man schreibt, sieht einen niemand dabei... Da kann ich das rationaler angehen. Und hinterher spricht man dann ja wenigstens über etwas, was der andere schon weiß (aber selbst das hilft nicht in allen Fällen!).

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
18.10.06, 10:13:37
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Jutta
(Angehörigenbereich)

Witzig, ich habe das Gleiche Problem. Meine Wünsche auf den Punkt zu bringen, ist für mich ziemlich unmöglich gewesen, auch heute geht das schwer, doch mein Mann zwingt mich dazu.
Ich habe immer erwartet, dass er mir meine Wünsche von den Lippen ablesen müsste, so wie ich es mir einbildetete auch zu tun.
Doch das Problem war.......er hatte diese Wünsche gar nicht. Wie oft brachte oder machte ich was " wahnsinnig Liebes", dachte ich zumindest und er meinte nur, ach das hätte ich nicht gebraucht.
Alleine das " ich liebe Dich" das ich ihm mindestens 100 mal sagen wollte, sagte er so gut wie nie. Und als ich das mal ansprach , meinte er, du weißt das doch , wozu soll ich dir das dauernd sagen.
Auf meine Liebesschwüre sagte er mal, das hatten wir heute schon, ...........ist schon schwierig.
Ich selbst bin so eine totale Gefühlsnudel und er ist einfach wie er ist.
Inzwischen liebe ich gerade diese Einfachheit . Dinge auf den Punkt zu bringen, zu sagen was er meint..........wenn er etwas äussert ist das so und Schluß, da brauche ich mir keinen Kopf zu machen ob sich dahinter etwas verbirgt oder so.
Ich musste das nur erst einmal kennen lernen.
Mein Aspi lebt zwar in einer kleinen Welt, aber die hat mehr Bodenständigkeit und Fundamente wie meine Riesenwelt mit den vielen Oberflächlichkeiten.

LG Jutta
18.10.06, 12:08:23
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Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Witzig, ich habe das Gleiche Problem.


Zumindest, wenn dieses Problem so stark ausgeprägt ist wie bei mir, ist es wohl auch recht häufig bei AS. Ebenso wie die "übermäßige" Direktheit. Es ist wohl auch so ein bisschen ein "Syndrom der Extreme"...

"Ich liebe dich." mag ich z.B. gar nicht gern sagen. Mein erster Freund und späterer Mann hat mich sozusagen dazu genötigt, und wenn ich sowas sagen musste, waren in dem Moment gar keine Gefühle da außer dass es mir unangenehm war und ich mich fühlte wie diese Frau in einer Operette, die immer sagen muss "Es grünt so grün wenn Spaniens Blüten blühen". Wie hieß das noch? "Der Widerspenstigen Zähmung"? lachen

Zitat:
Ich habe immer erwartet, dass er mir meine Wünsche von den Lippen ablesen müsste, so wie ich es mir einbildetete auch zu tun.
Doch das Problem war.......er hatte diese Wünsche gar nicht.


Tscha, das ist wohl das mit der "Theorie of mind". Meiner Ansicht nach beruht sie nicht auf echter Telepathie... Nicht mal auf wirklicher Empathie, sondern nur darauf, dass man eine allgemeine Vorstellung davon hat, "was die Leute so wollen", weil man selbst genauso tickt.

Wenn das stimmt, dann haben NA's in Bezug auf Aspies genauso wenig Theorie of mind, wie die Aspies das umgekehrt in Bezug auf NA's haben. Was leider nicht heißt, dass alle Aspies wenigstens sowas in der Art für einander hätten. Dafür sind sie zu unterschiedlich. Und sich vorzustellen, was jemand anders denkt, der ganz anders denkt als man selbst und auch in einer anderen Situation ist, ist, glaube ich, für jeden Menschen eine furchtbar schwierige Denkleistung. Wahrscheinlich funktioniert es nur auf der gemeinsamen Grundlage dieses "allgemeinen Modell des Normmenschen", das sich m.E. hinter der Theorie of mind verbirgt - oder wenn man jemanden wirklich gut kennt. Sozusagen eine "theorie of this person's mind" entwickelt hat. Vielleicht ist das Problem mit der TOM auf ein Problem mit Verallgemeinerungen zurückzuführen? Ich meine... Im richtigen *Ausmaß* zu verallgemeinern.

Der Buddhismus hat mir da ein paar Aha-Effekte gebracht. Da heißt es, alle Menschen sind fühlende Wesen. Sie streben nach Glück und möchten Leid vermeiden.

Das ist natürlich obersimpel und man sollte meinen, es sei allgemein bekannt. In der Praxis kann man immer wieder darüber staunen, wie oft das überhaupt nicht berücksichtigt wird. Und das auch von NA's nicht. Deshalb stehe ich ihrer angeblichen Theorie of mind ziemlich skeptisch gegenüber.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
18.10.06, 12:43:01
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Valo
(Parlament)

Zitat:
ein besonders großes Problem, die Kommunikation


Das ist normal, auch unter NTs.


Zitat:
dass er mir im Haushalt nie zur Hand gehen würde


Darunter kann ich mir auch nichts vorstellen - oder etwas sehr witziges lachen


Ihr habt schon viel voneinander gelernt.
Außerdem ziehen sich Gegensätze an.
Wenn ihr weiter voneinander lernt und den anderen nicht verbiegen wollt, sonder achtet in seiner eigenen Art, wird es eine gute Saceh werden mit euch.


Diesen anscheinend sehr ersehnten Satz habe ich einmal gesagt - obwohl ich vorher versprochen hatte es nie zu tun.

18.10.06, 12:49:57
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Jutta
(Angehörigenbereich)

Ich bin zum zweiten Mal verheitatet.
Beim ersten Mal war ich blutjung - super verliebt und war der Meinung - nie, nie wird diese Liebe erlöschen - weit gefehlt...........
In dieser Ehe, fing es rabenschwarz an - darf man keinem erzählen, ich weiß nicht wie oft wir beide überlegt haben ob wir es schaffen werden......

Zu Anfang habe ich echt gemeint , mein Mann wäre nur durch sein soziales Umfeld so geworden und ich könnte ihn "reparieren". Doch je mehr ich ihn "verbiegen" wollte , desto mehr Spannungen gab es.
Ich habe ihn echt arg strapaziert, bis endlich auch bei mir der Groschen fiel. Er muss mich wirklich sehr lieben, dass er meine fordernde Art ertragen hat.
Irgendwann war er so fertig, dass dieser so friedfertige Mann ein Glas an die Wand geschmissen hat - habe ich wohl gebraucht um wach zu werden.
Wir setzten uns gemeinsam hin, redeten endlich mal Klartext, stellten Regeln auf, die jedem seinen Bereich unantastbar werden ließen und trafen Absprachen , die so eine Art Gesetz wurden.
Zu Beginn fiel es mir echt schwer - ihm nicht, er lebt in Regeln, doch mit der Zeit klappte es.
Nun kann ich sagen, je länger wir verheiratet sind, desto schöner wird es.
Er hat mir vor kurzem gesagt:" Ich habe damals echt gedacht du wirst mich fertig machen, doch nun weiß ich dass es so gut ist."
War ein schwerer Weg dorthin, aber es lohnt sich jeden Tag ein Stück mehr.

LG Jutta
18.10.06, 18:22:48
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mor
(Autistenbereich)

Hallo Jutta,

ist doch gut, wenn es Tag für Tag sich bessert. Das ihr euch besser verstehen lernt und so.

Man sollte aber keinen Menschen "verbiegen". Egal ob er "normal" ist oder Aspie oder Anderer. fröhlich

Kein Wunder. Ich mag es auch nicht, wenn man mich "verbiegen" möchte, nur das ich in die "Norm" passe oder das Andere zufrieden sind mit mir.

Oft verstehen Aspies nicht was ihr Gegenüber eigentlich meint, jedenfalls fremde Menschen. Und umgekehrt ist es genauso.
In der Familie geht es ja noch.

Upps. ich sehe schon. Das Thread-Thema ist schon veraltet.


cool

Aitschy
01.06.08, 12:47:29
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tabby
(stillgelegt)

Dieses Muell Problem kenne ich, aber mein Mann macht es und macht es mir zum Vorwurf, meine Mutter war in Wut, weil ich am Muell, den sie vor die Tuer stellte, vorbei ging ohne ihn mitzunehmen.

Naja, sie sagte immer, ich wuerde mich in allem wie ein Junge benehmen., wenn ich meine Haare nicht lang trage, dann werde ich immer noch verwechselt. Mittlerweile størts mich nicht mehr, finde Jungs klasse zwinkern

Man muss mir wirklich alles sagen, ich komme selten alleine drauf.
Verbiegen klappt eh nicht.

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
12.06.08, 23:28:10
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