Was wäre wenn?
14.10.14, 18:32:26
akurei
geändert von: akurei - 16.10.14, 10:42:56
Für Autisten: wünscht ihr eucht manchmal, ihr wäret nichtautistisch?
Für Angehörige: wünscht ihr euch manchmal der betreffliche Mensch in eurem Leben wäre nichtautistisch?
Wenn ja, warum? Wenn nicht, warum?
Je älter ich werde, desto klarer wird mird mir, wie weit ich in meiner emotionalen Entwicklung zurückliege und geradezu kindlich bin. Ist ein beachtlicher Wissensschatz überhaupt etwas wert, wenn man zwischenmenschlich in sprichwörtlicher Hinsicht dicke fette Plastihandschuhe trägt und sie nicht ausziehen kann?
Ich wünsche mir manchmal, daß ich nichtautistisch sei. Auch auf die Gefahr hin, in geisteswissenschaftlicher und/oder künstlicher Hinsicht unbewandeter zu sein.
Hinweis: im Sinne eines Hausrechts optimalerweise ein Statement pro Person, bitte.
14.10.14, 22:27:58
schuschu
als ich meinen sohn danach fragte, meinte er....das er das gruselig empfände, denn er ist einfach er..so wie er ist.
ich als angehörige eines autisten : nein ich wünsche mir das nicht:
weil mein sohn dann nicht der wäre , der er ist...ich bin dankbar für sein sein...und was es für ein geschenk in sich birgt..einfach deshalb...weil es einfach rein und klar und wahrhaft ist..seine essenz.
das was du geradezu kindlich in der entwicklung empfindest....ist meiner ansicht nach, das was die gesellschaft an konzepten erfunden hat...wie man dann und wann zu sein hat in der norm....das kindliche ist für mich nichts naives sondern eben das reine im kinde...wie es die erde sieht...ohne konzepte und ohne konditionierungen der welt....ich nehme sehr wohl feingefühl wahr..emotionen sind für mich keine gefühle....und liebe...fühlt sich nicht an...es ist meiner jetzigen bewusstseinsempfindung nach..stille , im frieden sein.
14.10.14, 23:35:13
Bicycle
Ich finde mich ok so wie ich bin. Den Wunsch ein anderer Mensch zu sein, habe ich nicht.
Zum Kindlich-Sein, kann ich mich schuschu nur anschließen. Ein Zitat von Erich Kästner das mir dazu noch einfällt:
"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!"
15.10.14, 21:02:44
drvaust
Ich bin so, wie ich bin, dazu gibt es für mich keine Alternative. Ich habe keine Vorbilder oder angestrebte Zielformen für mich. Ich will nicht normal sein, ich will nur gut und zufrieden sein.
Natürlich gibt es Vieles, was ich gerne besser könnte, auch nichtautistische Fähigkeiten. Aber ich habe eben Stärken und Schwächen.
... wie weit ich in meiner emotionalen Entwicklung zurückliege ...
Wie meinst Du das? Ich halte mich nicht für emotional zurückgeblieben. Nur etwas sozial inkompetent.
... geradezu kindlich bin ...
Ich meine, Autisten sind schon als Kinder halbe Erwachsene und bleiben immer halbe Kinder. Das finde ich nicht schlecht.
Ich bin lieber ein neugieriges wissbegieriges verspieltes Kind, als ein stupider normgerechter Erwachsener, der Angst vor jeder Abweichung hat. Kinder leben noch ihr Leben, Erwachsene funktionieren oft nur noch.
Oder meinst Du das anders?
16.10.14, 01:34:59
akurei
geändert von: akurei - 16.10.14, 01:35:51
... geradezu kindlich bin ...
Ich meine, Autisten sind schon als Kinder halbe Erwachsene und bleiben immer halbe Kinder. Das finde ich nicht schlecht.
Ich bin lieber ein neugieriges wissbegieriges verspieltes Kind, als ein stupider normgerechter Erwachsener, der Angst vor jeder Abweichung hat. Kinder leben noch ihr Leben, Erwachsene funktionieren oft nur noch.
Oder meinst Du das anders?
Nein, genau das meine ich. Es tut beinahe weh, so wie du den Nagel auf den Kopf getroffen hast... Früher war das ein Vorteil. Heute ist es offensichtlich, daß die meisten Menschen so viel mehr von der Welt um uns herum verstehen als ich (vor allem bei Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin fällt das schwer zu akzeptieren). Das belastet mich irgendwie. Das verspielt-kindliche und die kindliche Neugierde können gerne auch weiterhin bleiben. Ich denke, man kann nicht beides haben?
16.10.14, 02:30:37
drvaust
Meinst Du, daß die Leute sich besser in der Gesellschaft verhalten können? Daß die normaler und unauffälliger sind?
Es ist natürlich unangenehm, wenn man auffällt und nicht 'richtig' funktioniert.
Aber ob die damit glücklicher sind?
Wie wirst Du von Deiner Umwelt gesehen? Sieht man Dich als komischen Spinner oder als interessanten Menschen?
Hast Du ein aktuelles Problem, wurdest Du gerade von jemand abgelehnt?
16.10.14, 10:46:50
akurei
Ich habe das Gefühl nicht ernst genommen zu werden, weil ich nicht zu einem verbissene, roboterartigen "Erwachsenen" herangereift bin. Ich tue weiterhin hauptsächlich nur Dinge, die mir gut tun, mich interessieren und Spaß machen. Meine Prinzipien haben sich nicht geändert, was wohl als Unflexibilität gewertet wird.
16.10.14, 11:14:04
schuschu
akurei, ich weiss, dass man da als junger mensch manchmal sehr unter druck stehn kann, wenn die meisten um einen rum einen nicht ernst nehmen ..oder man das gefühl hat...kann immer wieder nur sagen, dass es an den konzepten die sie erlernten , konditionierungen prägungen liegt...alles was anders sich verhält und scheint als es in ihren bildern ihren vorstellungen ist, wird meist auch unsicherheit belächelt will geändert werden...manchmal auch deshalb weil ja sonst ihr eigenes in gefahr wäre...so wird gedacht. und dann wird ihr eigenes mit allen mitteln beschützt sozusagen(fällt grad kein geeigneteres wort ein.
da gibts ein video das mir was gezeit hat...einer steigt ein in den fahrstuhl..die anderen sind eingeweiht nur der eine nicht...er steht natürlicherweise mit dem gesicht zur tür ....die anderen mit dem gesicht zur wand....er verunsichert sich..und dreht sich um..mal grob gesagt...
so ist das bei den meisten nichtautisten...
ich glaub aber auch dran..dass es immer mindestens einen menschen gibt, der deine wahrheit erkennt...auch unter nichtautisten.
wenn mein sohn und ich unterwegs sind..ist das..was ich meist erst nicht bemerke, für die meisten auffällig anders nicht ihren bildern und vorstellungen konform....aber da wir , und auch ich das einfach leben weil wir sind ..und so gemeint sind...prallt das alles ab..ich nehms zum teil nicht mehr wahr...weil wir einfach im sein sind völlig im jetzt ...meist.
16.10.14, 14:18:16
55555
Zitat:
Hinweis: im Sinne eines Hausrechts optimalerweise ein Statement pro Person, bitte.
Gut, ich habe erstmal gewartet, weil mir nicht besonders klar war, worauf du hinauswillst.
Zitat:
Wenn nicht, warum?
Warum sollte ich? Erscheint mir ähnlich attraktiv wie einem Goldfisch in einem Aquarium sein Sein zu neiden.
Zitat:
Je älter ich werde, desto klarer wird mird mir, wie weit ich in meiner emotionalen Entwicklung zurückliege
Wirklich "zurück"? Liegen dann die Lebenden auch gegenüber den Toten zurück, die ihr Leben hinter sich haben? Gibt es überhaupt irgendeine Norm, wie du sie da anzulegen scheinst? Ich meine nein.
Zitat:
Ist ein beachtlicher Wissensschatz überhaupt etwas wert, wenn man zwischenmenschlich in sprichwörtlicher Hinsicht dicke fette Plastihandschuhe trägt und sie nicht ausziehen kann?
Deine Worte sind mir rätselhaft. Sind nicht viele Autisten viel feinfühliger als NA in ihren Rudelsystemen und deren Regeln? Wenn man sich aber nach menschlicher Nähe sehnt ist es sicher richtig, daß man dazu die passenden Menschen kennen sollte.
Zitat:
Heute ist es offensichtlich, daß die meisten Menschen so viel mehr von der Welt um uns herum verstehen als ich
Tatsächlich? Was denn?
16.10.14, 16:48:57
akurei
geändert von: akurei - 16.10.14, 16:50:36
Wirklich "zurück"? Liegen dann die Lebenden auch gegenüber den Toten zurück, die ihr Leben hinter sich haben? Gibt es überhaupt irgendeine Norm, wie du sie da anzulegen scheinst? Ich meine nein.
Tote?
Ich habe den Eindruck, daß es gewisse Etikette für definierte Altersgruppen gibt. Wie man emotional aufgebaut sein sollte, welche Erfahrungen man haben sollte und in welcher Lebenssituation man sich befinde sollte etc. Das verunsichert mich; was wenn jemand enttäuscht ist, weil ich einigen Kriterien nicht genüge?
Zitat:
Deine Worte sind mir rätselhaft. Sind nicht viele Autisten viel feinfühliger als NA in ihren Rudelsystemen und deren Regeln?
Möglich. Erfahrungsgemäß macht Sensibilität das Leben aber unnötig schwer wenn nicht unmöglich. Etwas worauf ich zumindest mittlerweile verzichten könnte.
Zitat:
Wenn man sich aber nach menschlicher Nähe sehnt ist es sicher richtig, daß man dazu die passenden Menschen kennen sollte.
Ich habe das wenige zu diesem Thema wohl komplett vergessen. Irgendwelche Ideen? Erfahrungen mit Autistenselbsthilfegruppen?
Zitat:
Tatsächlich? Was denn?
Wenn ich das wüßte, wäre ich einen großen Schritt weiter. Generell geht es denke ich um gelernte Verhaltensmuster, die im Gehirn parat liegen und die keinen anderweitigen Aufwand bedürfen als unbewußt initiiert zu werden.
Beispiele wären z.B. spezielle Gangarten und Sitzhaltungen. Die wenigsten Leute scheinen da den offensichtlichsten Weg zu gehen und die Gravitation ihren Dienst tun zu lassen. Stattdessen haben gewisse Haltungen spezielle Bedeutungen. Klar könnte ich das lernen wie man eine Sprache oder so lernt, aber ich wünschte immer noch es wäre anders und man kommunizierte durch Sprache.
16.10.14, 18:32:17
55555
Ich deute die Fragen an mich als Aufforderung im Rahmen des Hausrechts zu einer Zugabe.
Na, ein 20jähriger Toter ist einem 90jährigen Lebenden zweifellos in seiner Entwicklung weit voraus, nicht wahr?
Zitat:
Ich habe den Eindruck, daß es gewisse Etikette für definierte Altersgruppen gibt.
Je nachdem in welchen Kreisen du dich so bewegst.
Zitat:
Wie man emotional aufgebaut sein sollte, welche Erfahrungen man haben sollte und in welcher Lebenssituation man sich befinde sollte etc. Das verunsichert mich; was wenn jemand enttäuscht ist, weil ich einigen Kriterien nicht genüge?
Man kann es nie allen Recht machen. Das eigentliche Problem ist ein Gefühl der Einsamkeit?
Zitat:
Erfahrungsgemäß macht Sensibilität das Leben aber unnötig schwer wenn nicht unmöglich.
Sensibilität kann den Menschen beherrschen, oder der Mensch beherrscht die Sensibilität.
Etwas worauf ich zumindest mittlerweile verzichten könnte.
Zitat:
Ich habe das wenige zu diesem Thema wohl komplett vergessen. Irgendwelche Ideen?
Wichtig scheint mir, daß man sich nicht verbiegt, weil man so nicht mehr die Menschen anspricht, die zu einem passen würden.
Zitat:
Erfahrungen mit Autistenselbsthilfegruppen?
Kannst du ja probieren.
Zitat:
Wenn ich das wüßte, wäre ich einen großen Schritt weiter.
Und wie kommst du darauf, dem wäre so? Weil NA ihren erlernten Rudelcode verwenden, was dich in solchen Kreisen an den Rand drängt? Interkulturell gibt es da ja auch deutliche Unterschiede. Wenn es soetwas wäre, wäre die Frage wie man den Ausländerstatus eher erlangen könnte. Wenn es darum geht, daß NA sich eben für andere Dinge interessieren, dann wäre die Frage, wo da emotional eine tragbare Grundlage sein sollte. Was vermisst du denn? Vertrautheit mit Mitmenschen, die Zeit für einen auswenden, wenn man mag? Kontakte für einige Stunden? Gemeinsame Vergnügen? Austausch über interesaante Themen? Eine Partnerschaft? Oder was anderes?
Zitat:
Stattdessen haben gewisse Haltungen spezielle Bedeutungen.
Nach dem Erfolg solcher Körpersprachbücher zu urteilen, geht es da wohl eher um Körpersprache, die NA unbewußt anwenden und auch nicht unbedingt automatisch deuten (sonst bräuchte es diese Bücher nicht).
16.10.14, 20:03:04
MadActress
Hm nein. Ich möchte nichts anderes sein als ich bin.
Für mich war es eher so ein Gefühl "Ah, man nennt das Autismus. Alles klar."
Ich habe praktische Probleme mit Menschen, die in der Regel auf Missverständnissen beruhen. Etwas guten Willen auf beiden Seiten vorausgesetzt, lässt sich das in der Regel ausräumen.
Auch Schatz mag mich so, wie ich bin. Meine Mitarbeiter kommen mit mir klar. Nein, das passt prima.
Ab und zu
fühle ich mich unzulänglich, mal mehr mal weniger. Aber das geht auch NAs bisweilen so, ist also eine ganz normale Sache. Schatz zum Beispiel kann kein Boot anlegen, weil sie das mit der Logik (wann man was machen muss und wie das Ruder liegen muss) einfach nicht begreift. Sie käme aber nie auf die Idee, sich deswegen minderwertig zu fühlen und etwas anderes werden zu wollen.
Und dann ist es ja noch so: Autistin zu sein und das pointiert zu vertreten, öffnet Türen. Kaum jemand empfindet das als Makel, eher im Gegenteil.
Und dann die unbestreitbaren Vorteile: Analytisch denken können. Denkfähig zu bleiben in kritischen Situationen (ich erinnere mich, dass ich mal meinen Vater ins Krankenhaus gebracht habe, der sich in die Hand gesägt hatte, ganz entspannt und ohne Stress). Logisch sein.
Nein, ich will nichts ändern. Bestimmt nicht.